Die vier Musketiere von CorinnaB

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Kapitel Fragen

Fragen

„Wo ist Aramis?“ Athos sorgte sich um seinen Freund. Seit jenem Tag war Aramis unerträglich schweigsam und zog sich oft zurück. Wer konnte es ihm auch verdenken?
„Wenn ich mit einer solchen Bestimmung leben müsste…“ Athos seufzte. Durch Portos’ nicken merkte Athos, dass er laut gedacht hatte. Aber wie konnten sie Aramis helfen? Was hatte dieser an jenem Tage überhaupt mitbekommen? Mit keinem Wort erwähnte er bisher die Geschehnisse. Athos erzählte seinem Freund zwar von der Heilung dessen eigentlich tödlicher Verletzung, aber nichts von den Worten des Erzengels.
Aramis hatte seine Stute fertig gemacht und war davon geritten. D’Artagnan hatte ihn gefragt, wo er hin wolle. Doch Aramis antwortete nur. „Treville weiß bescheid.“ Traurig schaute D’Artagnan hinter dem Musketier her. „Ob er je wieder so wird wie früher?“
Aramis bog auf den Weg ein, der zum Hof seines Onkels führte. Es war alles genauso wie damals, als er fort ging.
Neugierig vom Hufgeklapper guckten die Bediensteten von ihrer Arbeit hoch. „Monsieur d’Herblay ist wieder da!“ Freudig kam der Diener seines Onkels ihm entgegen. Vom Aufruhr aufgescheucht, kam sein Bruder Pierre aus dem Haus gelaufen. „René!“ Aramis spang vom Pferd und umarmte seinen Bruder voller Wiedersehensfreude. Fenena wurde in ihre alte Box geführt und später auf die Weide gelassen. Sofort tobte sie mit ihren alten Gefährten über die Wiese. „Seht nur, sie freut sich ebenso hier zu sein, wie ich!“ René strahlte. Das erste Mal seit langer Zeit wieder. „Erzähl, wie ist es bei den Musketieren.“ Pierre zog ihn ins Haus. „Erst brauche ich was zu Essen, sonst falle ich um.“ Lachte unser Freund. „Du wirst jetzt Aramis genannt. Passt gut zu dir.“ Sein Bruder nickte anerkennend. Auf einmal ertönte ein Freudenschrei. „René!“ Seine Tante erdrückte ihn fast. „Ich werde das Essen bringen lassen. Du kommst genau richtig.“ Sie rief das Dienstmädchen. Freudig erkannte es Aramis als jenesMädchen, das den grauenvollen Tag miterlebte, welcher das Leben aller Beteiligten für immer verändern sollte. „Du bist geblieben!“ Liebevoll strich er dem Mädchen über die Haare. Dieses errötete und senkte den Blick. „Ich konnte sie überzeugen, bei uns zu bleiben.“ Seine Tante nahm sie mit in die Küche. Pierre betrachtete seinen Bruder. Er war noch hübscher geworden. Seine braunen Haare umrahmten das eher weiche Gesicht, in seinen Augen lag ein Hauch von Melancholie, was unheimlich anziehend wirkte. „Man hört ja allerlei aus Paris.“ Er vergewisserte sich, dass niemand zuhörte. „Stimmt das mit deiner Verletzung und der wundersamen Heilung?“ Aramis zuckte zusammen. Portos hatte also Recht. Solche Nachrichten verbreiteten sich in Windeseile im ganzen Land. Er nickte. „Athos erzählte mir alles.“ Pierre flüsterte weiter. „Mutter weiß nur, dass du verwundet wurdest, aber nicht wie schwer. Wir haben es ihr nicht gesagt.“ Aramis verstand. Jedoch verschwieg er, dass Athos ihm nicht alles gesagt hatte. Die Worte des Erzengels erzählte dieser ihm nicht. Allerdings verschwieg Aramis seinerseits seinen Freunden, dass er alles mit angehört hatte. Er litt zwar unter höllischen Schmerzen, nachdem Jussac den Dolch wieder aus seinem Herzen herauszog, verlor aber trotz allem nicht das Bewusstsein. Daher bekam er mit, was Gabriel seinem Freund Athos offenbarte. Er erinnerte sich, wie schockiert er war. Sofort fiel ihm das Bild wieder ein. „Saga de Valinar“. Irgendwie hatte er schon immer gespürt, dass es keine Sage war. Pierre riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Alles in Ordnung?“ Aramis sah ihn an. „Ich erschaure immer noch, wenn ich an den Augenblick denke, in dem ich den Dolch spürte.“ Mitfühlend nickte Pierre. „Das kann ich mir denken. Ich glaube, ich wäre schon vor Angst gestorben.“ Aramis ging zum Fenster. „Weit entfernt war ich dem Tod ja nicht mehr.“ Sein Blick verlor sich. „Du merkst, wie dein Herz langsamer schlägt und betest nur noch, Lieber Gott, lass mich nicht sterben.“ Er drehte sich um. „Komm.“ Er lächelte wieder. „Lass uns über was Anderes reden.“ Pierre grinste. „Über hübsche Damen am Hofe?“ Aramis hob verwundert die Augenbrauen. „Woher …?“ Pierre fiel ihm ins Wort. „Also bitte. Jeder weiß, dass am Hofe entzückende Damen wohnen.“ Aramis entspannte sich wieder. Wie sollte sein Bruder auch von jener Liebäugelung auf dem Ball wissen. „Es gibt da eine wirklich süße Kammerzofe.“ Weiter kam er nicht. „Kommt ihr Beiden. Essen.“ Madame d’Herblay stand in der Tür. „Wo ist Onkel Richard?“ Seine Tante zögerte. „Er ist bei Monsier de Jarjaye…“ Aramis stockte der Atem. „Er ist wieder da?“ „Eine Woche nach der schrecklichen Tragödie wurde er in einem sumpfigen Gebiet unweit von Versailles gefunden. Aramis wurde schwindelig. „René! Was…?“ Pierre führte ihn zu einem Sessel. „Dort war ich auch schon…“ flüsterte er. „In einem Pavillon. Ich wurde von Männern des Kardinals entführt und dorthin gebracht.“ „Mein Gott, wie hat man dich denn gefunden?“ Aramis stützte den Kopf auf seine Hände. „Fenena. Ich habe nach ihr gepfiffen.“ Seine Tante und Pierre verstanden. „Und sie führte deine Kameraden zu dir.“ Aramis nickte. Er zitterte, als er an die Kälte dort dachte. Bestürzt nahm seine Tante ihn in den Arm. Aramis genoss dieses Gefühl der Wärme und Zuneigung. „Was haben sie dir nur aufgebürdet?“
Aramis sah seine Tante entschlossen an. „Ich möchte Monsieur de Jarjaye besuchen.“ Er senkte den Kopf. „Wenn er mich überhaupt noch sehen will.“ Pierre schüttelte ihn. „Aber natürlich will er! Warum denn nicht? Du kannst nichts für den Tod seiner Familie. Er gibt dir keine Schuld. Monsier de Jarjaye liebt dich immer noch, wie seinen Sohn.“ Aramis Blick wurde weich. „Wirklich?“ „Er hat schon oft nach dir gefragt.“ Seine Tante lächelte. „Kommt lasst uns essen und danach reitest du zum Gestüt.“
Aramis wandte sich an Pierre. „Kommst du mit?“
Dieser nickte.
Nach einem wunderbaren Essen ritten Aramis und Pierre los. Immer wieder stoppte unser Musketier sein Pferd. Pierre ließ ihm die Zeit, die er brauchte, wofür Aramis sehr dankbar war.
Monsieur d’Herblay war noch bei Monsieur de Jarjaye. Gemeinsam guckten sie sich gerade die Pferde an, welche neu angekommen waren. „Vater! Schau, wen ich mitgebracht habe.“ Rief Pierre. Aramis klopfte das Herz bis zum Hals. Er hatte Angst vor der Reaktion seines fast Schwiegervaters. Dieser drehte sich rum und erstarrte. Er meinte einen Engel zu sehen. Mit einem Schluchzer umarmte er René herzlich. Dieser war so erleichtert, dass ihm Tränen über die Wangen liefen. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht.“ Monsieur de Jarjaye konnte ihn gar nicht mehr loslassen. „Ich hatte solche Angst, dass du nie wieder zu mir kommen würdest.“ Aramis wischte sich die Tränen weg. „Und ich dachte, ihr wollt mich nicht mehr sehen.“ Es war eine ganze Steinlawine, die ihm vor Erleichterung von Herzen polterte. Monsieur d’Herblay und Pierre ließen die Beiden allein.
Am Abend versammelten sich alle im Hause d’Herblay. So viel war zu erzählen. Natürlich wollten die Anderen von Aramis wissen, wie der König so war. Wie Monsieur Treville sein Regiment führt. Über Athos, Portos und D’Artagnan musste er erzählen. Über Paris und die Rebellen. Und natürlich über das Duell mit Jussac. Doch auch in diesem Kreis verschwieg Aramis, was er wirklich wusste. Er wollte mit seinem Onkel allein darüber reden. Natürlich kam die Sprache auf die Damenwelt. Aramis blickte verunsichert zu Monsieur de Jarjaye. „Ich weiß nicht, ob ich wieder lieben kann.“ Flüsterte Aramis traurig. Da packte ihn dieser an den Schultern. „Ich weiß, du hast meine Tochter über alles geliebt. Ihr wart ein perfektes Paar. Aber eines bin ich mir sicher. Sie würde nicht wollen, dass du dein Leben hingibst.“ Er lehnte sich zurück. „Sie sagte mir einmal, als wir alleine ausritten: ‚Papa, Ich könnte es nie ertragen, wenn René unglücklich wäre. Sollte ich vor ihm von dieser Welt gehen müssen, sage ihm bitte, dass er sich nicht ins Verderben stürzen soll. Hoffentlich verliebt er sich in eine andere Frau und ist ihr ein guter Ehemann, wie er es bei mir gewesen wäre. Nur vergessen soll er mich nicht.’ Das waren ihre Worte.“ Monsier Jarjaye rang mit den Tränen. „Bitte, René, werde glücklich, wie du es mit ihr geworden wäre. Behalte sie in deinem Herzen.“ Plötzlich hielt er etwas in der Hand. Aramis schluckte. Es war Fabiennes Kette. Sein Anhänger war ein schlichtes silbernes Kreuz. „Bitte trage du sie immer bei dir.“ Mit zitternden Händen nahm Aramis die Kette an sich und ging auf sein Zimmer. Noch lange schaute er diese Kette an, mit welcher so viele wunderschöne Erinnerungen zusammen hingen. „Ich werde dich immer lieben.“ Er küsste den Anhänger. „Und doch danke ich dir für die Worte, die mir dein Vater überbrachte.“
Nun hatte er das Gefühl, frei zu sein.
Sie hatte ihn losgegeben.
Vielleicht war er sogar bereit eine andere Frau zu lieben und ihr treu zu sein.
Plötzlich klopfte es an seiner Tür. Sein Onkel schaute herein.
Wortlos setzte er sich zu Aramis aufs Bett. Dieser merkte, dass sein Onkel etwas auf dem Herzen hatte, wagte aber nicht diesen zu drängen. Nach längerem Schweigen sprach Monsieur d’Herblay an, worauf Aramis schon lange wartete.
Mein Sohn… ich glaube ich bin dir einige Erklärungen schuldig, die deine Eltern und dein Volk betreffen.“ Aramis blickte weiterhin auf die Kette, welche er in den Händen hielt, als klammere er sich an ihr fest.
„Es war vor langer Zeit, als noch Krieg zwischen den Elben, den Zwergen und den Menschen herrschte. Da gab es ein Elbenvolk, welches von Gott auserwählt war, Frieden zu erwirken. Dieses Volk waren die Valinar. Sie waren perfekt, weswegen sie Gott besonders liebte. Sie schafften es Mittelerde zu einem friedlichen Land zu machen. Als der Ringkrieg begann, halfen sie jenem Hobbit, welcher den Ring zerstören sollte, die Aufgabe mit Hilfe einer Ringgemeinschaft, den neun Gefährten zu bewältigen. Ihr mächtigster Gegenspieler war Luzifer, der Teufel persönlich. Er schlüpft immer wieder in andere Körper. Damals versuchte er es mit Sauron, welcher jedoch zu schwach war. Als dieser von dem Volk der Valinar vernichtet wurde, schwor Luzifer ewige Rache an ihnen. Die Zeit der Elben, Zwerge und Hobbits ging vorbei. Es begann die Zeit der Menschen. Aragorn war ihr erster König und es folgten weitere. Die meisten Elben waren zu grauen Anfurten gegangen. Es blieben jedoch wenige auf der Erde, um den Frieden zu bewahren. Es waren verschieden Elbenvölker, z.B. die Noldor, oder die Vanyar, auch Hochelben genannt. Die Vanyar waren das edelste der Elbenvölker und lebten in den goldenen Wäldern Valinors. Unter diesen Elben gab es einige wenige, die vollkommen waren, wunderschön und perfekt. Eben jene Valinar, von denen ich vorhin schon erzählte. Und solch eine Elbe war deine Mutter. Als sie schwanger wurde von deinem Vater, welcher ebenfalls zum Volk der Valinar gehörte, war sie gerade Anfang dreißig. Für einen Elben sehr jung. Dein Vater starb vor deiner Geburt und sie verliebte sich in einen Menschen. Meinen Bruder. Nach deiner Geburt wurde ihnen bewusst, dass du einer der letzten Nachkommen der reinen Valinar warst und versteckten sich. Doch Luzifer entdeckte sie und spürte sie auf. Die Valinar, musst du wissen, können nur sterben, wenn Gott es vorsieht, oder das Gift einer bestimmten Pflanze, des Gyzinia, in ihren Körpern ist. Luzifer kannte diese Pflanze.“ Aramis zitterte. „Er hat meine Mutter vergiftet.“ Sein Onkel nickte. „Und meinen Bruder.“ Monsieur d’Herblay sah seinen Ziehsohn mit innigster Zuneigung an. „Und als hätten sie es vorher geahnt, gaben sie uns ihren Sohn mit der Bitte gut auf ihn aufzupassen.“ Er legte seinen Arm um Aramis. „Schon früh merkten wir dir deine Abstammung an. Dein Aussehen, deine Anmut, dein Charakter… Es war uns klar, dass wir dich eines Tages nicht halten konnten. Das dein Lebensweg allerdings bei den Musketieren weitergehen würde, hatten wir gar nicht in Betracht gezogen. Obwohl meine Schwester mit Monsieur Treville verheiratet ist.“ Richard d’Herblay schaute Aramis fest in die Augen. „Aber wir sind unheimlich stolz darauf, was du bisher geleistet hast. Und das Volk liebt dich mehr, als jeden Anderen im Land.“ Er lächelte. „So. Nun ist es spät und wir wollen schlafen gehen. Jetzt weißt du, wer deine Eltern wirklich waren. Wir konnten es dir nicht sagen. Die Zeit war noch nicht reif.“ Sein Onkel sah ihn unsicher an. „Ich bin dir unendlich dankbar, dass du mir alles erzählt hast.“ Aramis’ Augen strahlten jene Sanftmut aus, die sein Onkel so an ihm liebte. Monsieur d’Herblay gab ihm einen Kuss auf die Stirn und wollte gerade das Zimmer verlassen, als Aramis leise fragte „Das Gemälde. Wer ist sie?“ Er brauchte seinen Onkel nicht anzusehen, um zu wissen dass er zusammen zuckte. „ Galadriel. Die Königin aller Elben. Und deine Urgroßmutter.“ Vorsichtig zog er die Tür ins Schloss.
Noch lange hing Aramis seinen Gedanken nach.
Er war froh, alles erfahren zu haben.
Zufrieden sank Aramis in einen gesunden erholsamen Schlaf.