Die vier Musketiere von CorinnaB

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Kapitel Sharmine du Lucigne

Sharmine de Lucigne

Voller Tatendrang ritt Aramis zurück nach Paris. Was er bei seinem Aufenthalt auf dem Landsitz seines Onkels Monsieur d’Herblay erfahren hatte, gab ihm neuen Auftrieb. Seine Freunde würden staunen. „Aramis ist wieder da!“ D’Artagnan unterbrach seinen Übungskampf mit Athos und zeigte über den Exerzierplatz zum Tor des Hauptquartiers. Aramis sprang gerade vom Pferd, als seine Freunde schon auf ihn zugestürmt kamen und freudig umarmten. „Gut siehst du aus.“ D’Artagnan betrachtete seinen Freund. „In der Tat scheint deine Melancholie wie weggeblasen zu sein.“ Auch Portos kam hinzu. Athos strahlte. Aramis musste lachen. „Es ist schön wieder hier zu sein.“ Er wurde ernst. „Viel habe ich erlebt und erfahren, was ich noch verarbeiten muss.“ Er schaute Athos in die Augen. Dieser wich seinem Blick aus. Verwundert schauten Portos und D’Artagnan an. „Aber nun lasst uns erst einmal etwas trinken gehen.“ Aramis wollte loslaufen. „Willst du dich denn nicht bei Treville zurück melden?“ fragte Portos. Aramis winkte ab. „Hat Zeit.“ Die Freunde zuckten mit den Schultern und folgten ihm.
Später begab sich Aramis zu seinem Hauptmann. „Ah, Aramis.“ Treville winkte ihn herein. „Du bist wieder da.“ Prüfend schaute er seinen Schützling an. „Ich hoffe, du hast alles erfahren.“ Aramis nickte. „Ehrlich gesagt, viel zu viel.“ Seufzend ließ er die Schultern hängen. Treville kam auf ihn zu. Beschwörend sagte er: „Rede mit Athos darüber.“ Aramis wusste, worauf dieser hinaus wollte. „Du wirst es schaffen. Wir stehen hinter dir. Paris steht hinter dir. Egal, was passiert. Du kannst deinem Schicksal nicht davon laufen.“ Genau das wollte Aramis im Moment aber am Liebsten.
Gerade aus dem Zimmer des Hauptmanns kommend, stieß er mit Portos zusammen. „Kommst du nächsten Samstag mit? Baron de Monjé lädt zu einem Tanzabend.“ Entsetzt schaute Aramis seinen Kameraden an. „Einen Tanzabend? Du weißt, wie sehr ich Tanzabende hasse.“ Er wollte an Portos vorbei gehen. „Ich hörte, dass auch die Kammerzofen der Königin dort sein werden.“ Raunte dieser ihm ins Ohr. „Constance bringt ihre neue Freundin mit, welche dir glaube ich auch schon aufgefallen ist.“ Gespannt wartete er auf eine Reaktion Aramis’. Doch dieser hob nur den Kopf und schritt von dannen. Auf dem Weg zum Stall traf er auf Athos. „Hast du schon vom dem Ball gehört?“ fragte dieser. „Tanzabend!“ knirschte Aramis durch die Zähne. Ausgiebig streichelte er Fenena, bevor er sich auf den Weg zu seinem Zimmer machte. Athos begleitete ihn. Er spürte, dass sein Freund etwas loswerden wollte. Plötzlich drehte Aramis sich um und schaute Athos mit einem Ausdruck in den Augen an, dass dieser sich zwingen musste Aramis’ Blick standzuhalten. „Warum hast du mir nicht alles erzählt?“ Athos hatte schon lange auf diese Frage gewartet. Oft war er mögliche Antworten durchgegangen, die er seinem Kameraden erzählen wollte. Doch nun fehlten ihm genau diese Worte. Er senkte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Gestand er. „Ich glaube, ich hatte Angst davor, dir eine solche Bürde aufzuladen.“ Aramis ging langsam weiter. „Woher weißt du, dass ich dir etwas verschwiegen habe?“ Athos wusste die Antwort bevor er sie hörte. „Ich war wach.“ Aramis hob den Blick kurz gen Himmel. „Ich habe alles mit angehört und konnte mit alledem nichts anfangen.“ Athos schwieg betroffen. „Als ich zu Hause war, hat mein Onkel mir alles erzählt.“ Aramis lief ziellos durch Paris’ Gassen und berichtete, was Monsieur d’Herblay ihm weitergab.
Athos wusste nicht, ob er seinen Freund beneiden, oder bemitleiden sollte. Sicher, Aramis hatte durch sein Äußeres klare Vorteile. Nicht nur bei den Frauen. Auch bei seinen Gegnern, die ihn häufig unterschätzten, was meist zu deren Tod führte. Seine Charakterzüge waren aller Ehren wert. Doch wollte er so sein? Athos hatte schon lange das Gefühl, dass Aramis eher unter seinem eigenen Ich litt. Er konnte einfach nicht anders, als tugendhaft zu handeln. Er konnte nicht anders, als dem Unrecht entgegen zu treten. Er würde sogar sein Leben für das Recht lassen. Als Aramis geendet hatte, war Athos erschlagen von dem, was er erfahren hatte. ‚Mein Gott, wie muss es wohl dir gegangen sein, als du dies alles erfuhrst.’ Athos wusste nicht, was er sagen sollte. „Sag nichts.“ Sein Freund schien auch noch Gedanken lesen zu können. „Mir ging es ähnlich wie dir, nur dass ich die Hauptperson in dem Spiel war.“ Sagte er zynisch. „Es gibt nur eine Sache, die ich nicht verstehe.“ Aramis blieb abermals stehen. Verwirrt sah Athos seinen Freund an. „Warum sagte Gabriel zu Jussac, ‚und er wird euer Schicksal sein’?“ Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von seinen Augen. Er wankte. Erschrocken stützte Athos seinen Kameraden. „Oh, Herr im Himmel.“ Aramis hatte sich wieder gefasst. „Luzifer ist in Gestalt von Kardinal Richelieu auf die Erde zurückgekehrt. Jussac der Hauptmann seiner Garde…“
Athos schluckte.
„Du bist das Schicksal Luzifers!“
Am darauf folgenden Samstag schleiften unsere Freunde Aramis mit zu dem Tanzabend. D’Artagnan suchte sofort nach Constance, als er diese mit ihrer Freundin zusammen stehen sah. „Schau mal.“ Wisperte er in Aramis Ohr. „Deine Auserwählte ist bei Constance.“ Aramis hatte gar keine Zeit verlegen zu werden, da D’Artagnan ihn hinter sich her zog. „Guten Abend, verehrte Damen.“ D’Artagnan verbeugte sich. „Darf ich Euch meinen Freund Aramis vorstellen?“ er wandte sich an Constance Begleiterin. „Ich dächte, sie kennen sich noch nicht.“ Elegant verneigte sich Aramis und lächelte. „Nein, wir kennen uns in der Tat nicht.“ Constance verstand den Wink D’Artagnan und flötete. „Monsieur Aramis. Dies ist meine Freundin Sharmine de Lucinge. Sie ist die neue Kammerzofe ihrer Majestät der Königin. Wir sind sozusagen Kolleginnen.“ Sharmine bekam vor Aufregung und Freude kein Wort heraus. Sie knickste und konnte ihr Glück kaum fassen. Ausgerechnet Aramis wurde ihr vorgestellt. Er war ihr doch schon so lange aufgefallen, aber nie hatte sich die Möglichkeit ergeben, näher an ihn heranzukommen. „Wie lange steht ihr schon im Dienste ihrer Majestät der Königin?“ Aramis sah Sharmine mit seinem ganzen Charme in die Augen. Diese wäre fast ohnmächtig geworden. „Seit ungefähr einem Jahr.“ Aramis stutzte. „So lange schon. Ihr seid mir noch gar nicht so lange aufgefallen. Und Damen eurer Schönheit übersehe ich gewiss nicht.“ Sharmines Herz klopfte. Sie war ihm aufgefallen! Sie wollte gerade etwas erwiedern, als Aramis Athos bemerkte. „Entschuldigt mich bitte.“ Er verbeugte sich und verschwand zu Athos. Dieser empfing ihn mit einem Grinsen. „Wir haben ja schon angebändelt.“ Aramis wurde rot. „Ich kann in ihrem Beisein einfach keine normale Konversation führen.“ Er wedelte mit der Hand, als wolle er eine Fliege verjagen. „Mir fehlen einfach die Worte.“
Baron de Monjé eröffnete den Ball und lud zum Tanz. Er klatschte in die Hände und das kleine Orchester spielte. Natürlich hofften die Damen darauf, Aramis möge sie zum Tanz auffordern, aber dieser hielt sich zurück. Nach einer Weile ging er zu Comtess de Monjé und verbeugte sich vor ihr. „Madame wünschen zu tanzen?“ er hielt ihr den Arm. Entzückt nahm sie die Aufforderung an. Es war Pflicht die Dame des Hauses mindestens einmal zum Tanze aufzufordern. Athos und Portos standen beisammen und bestaunten das Paar. „So furchtbar Comtess de Monjé auch tanzen mag, mit Aramis wirkt selbst sie anmutig.“ Sie mussten lachen. „Ich versteh gar nicht, warum er nicht gerne tanzt?“ Portos guckte irritiert. „Er kann es doch.“ Athos stimmte ihm zu. „Und mit welcher Eleganz.“ Nach dem Tanz erlöste Athos seinen Freund und übernahm dessen Partnerin. Dieser gesellte sich erleichtert zu Portos. „Lange hätte ich nicht mehr durchgehalten.“ Er strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht. „ Es ist schwer ein Nilpferd durch das Wasser zu ziehen.“ Portos schlug sich die Hand auf den Mund, um nicht laut loszulachen. Aramis genehmigte sich etwas zu Trinken. „Wo ist D’Artagnan?“ fragte er, als er ausgetrunken hatte. Nachdem er Portos Gesichtsausdruck sah, winkte er ab. „OK. Vergiss es. Wollte es auch gar nicht wissen.“ Er deutete auf eine Dame reiferen Alters, welche aber durchaus noch als gut aussehend zu bezeichnen war. „Sie scheint auf deine Aufforderung zum Tanz zu warten, mein Freund.“ Portos richtete sich auf und machte sich auf den Weg.
Aramis suchte Sharmine. Er musste sich eingestehen, sie äußerst attraktiv zu finden. Sie saß allein an einem Tisch. Schließlich nahm er allen Mut zusammen und ging zu ihr. Mit einer Verbeugung blieb er vor ihr stehen. „Darf ich euch zum Tanz auffordern?“ Freudestrahlend nickte sie. Aramis führte sie auf die Tanzfläche. Sie tanzten den ganzen Abend. Neidisch beobachteten die übrigen Damen Aramis Tanzpartnerin.
Spät in der Nacht nahm Aramis Sharmine bei der Hand und führte sie in den Garten des Anwesens. An einem kleinen Bach blieb er stehen und zog sie zu sich heran.
„Seit ich euch das erste Mal gesehen habe, geht ihr mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Er berührte vorsichtig ihren Hals und strich ihre langen sanft gewellten Haare nach hinten. Sie atmete schneller. Davon hatte sie geträumt, seit sie ihn vor einem knappen Jahr zum ersten Mal sah; dass er sie in seinen Armen hielt.
Sie wollte etwas erwidern, aber er legte seinen Finger auf ihre vollen Lippen.
„Darf ich euch küssen?“
Alles in Sharmine jubelte und schrie ‚Ja’.
Doch sie brachte nur ein Nicken zustande.
Langsam näherte sich Aramis Sharmine. Sie konnte es kaum mehr erwarten.
Schließlich umschlossen seine weichen Lippen die Ihren und gaben ihr einen unendlich liebevollen, langen und zärtlichen Kuss.
Die Welt schien stehen zu bleiben.
Aramis konnte sein Glück nicht fassen.
Er war wieder fähig zu lieben!
Er liebte Sharmine de Lucigne aus tiefstem Herzen, und er würde sie auf Händen tragen, wenn sie es zuläße.
Beide waren außer Atem, als sich ihre Lippen voneinander lösten.
Verliebt schaute Sharmine Aramis in die Augen.
„Ich habe mich in dich verliebt, Sharmine.“ Vor Glück wurde ihr fast schwindelig. Der Mann ihrer Träume gestand ihr gerade seine Liebe.
Sie küsste ihn. „Wie habe ich mir gewünscht das aus deinem Munde zu hören.“
Aramis streichelte ihr Gesicht.
„Ich hatte Angst, du könntest mich abweisen.“ Gestand er leise.
Sharmine schüttelte den Kopf. „Wie kommst du denn auf so etwas Dummes?“
Er zuckte mit den Schultern. „Es wird allerhand über mich geredet.“
„Ja.“ Lächelte sie. „Und zwar, dass du nicht fähig wärst eine Frau wirklich zu lieben.“ Sie küsste ihn. „Jetzt kannst du mir beweisen, dass die Gerüchte um dich der Unwahrheit entsprechen.“
Er küsste ihre Hand. „Das werde ich.“