Die vier Musketiere von CorinnaB

  Durchschnittliche Wertung: 5, basierend auf 4 Bewertungen

Kapitel Mylady

Mylady

„Die königliche Garnison wurde besiegt!“ Die Nachricht verbreitete sich unter dem Volk wie ein Lauffeuer. Auch vor den Musketieren machte sie nicht Halt. „Wo war das?“ Athos setzte sich zu seinen Freunden an den Tisch. Hungrig lief ihm das Wasser im Mund zusammen, so dass er herzhaft in eine Keule biss. „Bei Ile de Ré, westlich von La Rochelle.“ Portos sah auf. „Wenn die königlichen Truppen geschlagen sind, müssen wir ran.“ Damit sprach er aus, was alle insgeheim befürchteten. Aramis kaute nachdenklich an seinem Brot. „Benjamin de Rohan ist ein geschickter Feldherr. Und durch die Hilfe zum Protestantismus konvertierter Adliger ist er im Besitz von guten Männern.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Dieser Calvin spaltet noch die gesamte Kirche in Gut und Böse.“ „Das ist sie doch jetzt schon.“ Athos blickte seinen Freund von der Seite an. „Aber die Kirche ist nicht der Meinung, dass es von Gott Auserwählte gibt, die in den Himmel kommen und der Rest in der Hölle schmoren muss. So was würde Gott nicht zulassen.“ Die Anderen schauten ihn an. „Das sagst gerade du?“ Athos hörte auf mit Kauen. „Ja, gerade ich.“ Ereiferte sich Aramis. „Es ist Unsinn, den Menschen weiß machen zu wollen, es ist egal, ob man gute Taten in seinem Leben vollbringt, man ist schon vor der Geburt auserwählt, oder eben nicht. Das würde bedeuten, dass die Menschen, die meinen auserwählt zu sein, machen könnten, was sie wollen. Siel könnten sämtliche Gebote brechen und trotzdem würden sie in den Himmel kommen; denn sie sind ja auserwählt.“ Portos mümmelte vor sich hin. Ihm war das wieder alles zu hoch. Hauptsache das Essen schmeckte. Egal ob im Himmel oder in der Hölle, es würde schon überall was geben. „Es werden alle Menschen wiedergeboren. Schließlich hat Jesus mit seiner Kreuzigung all unsere Sünden auf sich genommen.“ Aramis war in seinem Element. „Von jedem Menschen, nicht nur von irgendwelchen Auserwählten. Gott gab seinen einzigen Sohn für alle Menschen. Dieser Calvin behauptet, durch den Sündenfall im Paradies wären…“ „Was fürn Paradies?“ Portos unterbrach sein Tun, um direkt mal eine Frage zum Thema zu stellen. „Adam und Eva waren die ersten Menschen, die von Gott geschaffen wurden und lebten im Paradies. Sie waren nackt, da sie noch keine Erkenntnis besaßen. Eine Schlange verführte Eva und ließ sie in einen Apfel vom Baum der Erkenntnis beißen. Dadurch wurde ihnen bewusst, dass sie Mann und Frau waren und nackt, wodurch sie sich schämten. Da Gott ihnen jedoch verboten hatte von diesem Baum zu essen, wurde er wütend und verbannte sie aus dem Paradies. Fortan mussten sie auf der Erde leben.“ „Wir stammen alle von diesen zwei Menschen ab?“ Portos schüttelte den Kopf. „Dann sind wir ja alle verwandt.“ Aramis beließ es, ihn darüber aufzuklären. Athos kam wieder zum Thema. „Was behauptet Calvin?“ fragte er ruhig. „Er behauptet durch den Sündenfall beherrscht die Sünde den ganzen Menschen, sein Denken, seinen Willen.“ Aramis’ Blick durchbohrte Athos. „Das würde heißen, wir wären von Grund auf Böse.“ D’Artagnan sah auf. „Klar, dass viele Adlige sich der Lehre anschließen. Die sind doch sowieso was Besseres.“ Aramis und Athos wollten Auffahren. „Nicht alle!“ Warf D’Artagnan beschwichtigend ein. Portos hatte gar nicht zugehört. Er versuchte gerade ein Gespräch am Nachbartisch mitzuhören. „…nach England aufgebrochen, um Unterstützung beim Duke of Buckingham zu ersuchen. Der ist doch mit dem König befreundet…“ Portos zog hörbar die Luft ein, was seine Freunde verwundert ihr Gespräch innehalten ließ. „Was ist?“ „Die Hugenotten holen sich Hilfe aus dem protestantischen England.“ Aramis erbleichte. „Dann steht ein Krieg unmittelbar bevor.“

In der folgenden Woche wurde die Kompanie von Monsieur Treville tatsächlich nach La Rochelle geordert. Graf de Toiras, welcher von den Männern Benjamin Rohans besiegt wurde, zog sich in die Zitadelle Saint-Martin mit seiner Garnison zurück. So schickte der Kardinal, unter dessen Einfluss auch der König stand, eine Vorhut auf den Kriegsschauplatz, welche die Lage unter Kontrolle halten sollte, bis der König und er den Oberbefehl übernehmen könnten. Zu dieser Vorhut gehörte auch unser Gascogner, der ja noch nicht zu den Musketieren zählte. Dadurch bedingt wurden unsere Freunde getrennt, da Athos, Aramis und Portos des Königs Leibwache stellten und somit mit diesem später folgten. Die Garden unter dem Kommando Monsieur des Essarts hatten ihre Quartiere im Kloster der Minimen.
Am nächsten Tag hatten die Truppen des Königs eine Bastion wiedergenommen. Aus D’Artagnans Garde wurden einige wenige geschickt, um Erkundungen vorzunehmen, wie die Bastion bewacht wurde. Mit drei Kamerden seiner Garde begab D’Artagnan sich in einen Laufgraben. Bevor sie sich irgendwie absprechen konnten zischten mehrere Kugeln an den vier Gardisten vorbei. Nun wussten sie, die Bastion war besetzt. Als sie zurückkehren wollten wurde einer von ihnen durch eine Kugel getötet. D’Artagnan wollte nach ihm sehen, als plötzlich wieder ein Schuss ertönte. Dieser wurde jedoch nicht von den Belagerern der Bastion abgefeuert. Er sah sich einem Kameraden gegenüber, welcher die Mündung auf ihn richtete. Da begriff er. Dies war ein Attentat, welches den Feinden in die Schuhe geschoben werden sollte. Blitzschnell zog unser Freund seine Muskete und erschoss seinen Gegner, den er einst Kamerad nannte. Aus dem Augenwinkel sah er den Anderen davonrennen. Schnell folgte er dem Flüchtenden. Als sie in Sicherheit vor den Soldaten in der Bastion waren, stürzte D’Artagnan auf den Gardisten. „Wer befahl euch, mich umzubringen?“ Wütend packte er seinen Gegner am Kragen. „Bitte, tut mir nichts. Ich wurde gezwungen mitzugehen.“ Ängstlich schaute dieser unseren Gascogner an. „Von wem? Kardinal Richelieu?“ Sein Gegner schüttelte den Kopf. „Nein. Mylady gab uns den Befehl.“ Verwundert ließ D’Artagnan los. „Was? Wer ist das?“ Sein Gegenüber zitterte. „Sie ist sehr mächtig. Sie hat uns befohlen euch und die zwei anderen Musketiere, mit denen ihr immer zusammen seid zu töten?“ D’Artagnan hob seine Augenbrauen. „Wieso zwei…?“ „Sie befahl uns ausdrücklich den hübschesten der vier Unzertrennlichen am Leben zu lassen. Den brauche sie noch.“ ‚Aramis.’ „Verschwinde!“ Fluchend drehte sich unser Freund um und begab sich zu seinem Hauptmann. „Befehl ausgeführt. Die Bastion ist besetzt. Zwei wurden getötet, der Andere verschwand spurlos.“ D’Artagnan salutierte. „Gut gemacht.“ Anerkennend nickte Monsieur des Essarts.
Damit war unser Freund seinem sehnlichsten Wunsch Musketier zu werden wieder ein großes Stück näher zu kommen.
Die Garde zog sich ins Kloster zurück und D’Artagnan begab sich auf die Suche nach seinen drei Freunden. Vielleicht wussten sie mehr über eine Frau namens Mylady.
Inzwischen hatte der König voll Ungeduld eine Rast übersprungen und kehrte mit seinen Truppen und einer unheimlich großen Verstärkung unter dem Triumph der Bevölkerung in La Rochelle ein.
Unser Gascogner brauchte seine Freunde nicht lange suchen. Vor der Kutsche des Königs ritten Aramis und Athos, hinter der Kutsche Portos und ein weiterer Musketier. D’Artagnan konnte seinen Blick nicht von Aramis lassen, welcher seinen Freund auch zuerst entdeckte. Aramis machte Athos auf D’Artagnan aufmerksam, in dem er freudig seinen Arm zum Gruß hob. Aufgeregt erwiderte D’Artagnan jene Geste. Aramis gab diesem ein Zeichen der Kutsche zu folgen. Bald konnten sich die vier wieder in die Arme schließen.
„Wo hat deine Kompanie ihr Quartier?“ fragte Portos. „Im Kloster Minimen.“ Antwortete der Gefragte.
Am Abend trafen sich die vier vereinten Musketiere in der Kneipe „Le Chalais de Champagne“. Hier schien ein etwas gehobeneres Niveau zu herrschen, als in den Kneipen Paris’. Etwas abseits in einer Ecke war noch ein freier Tisch. Nachdem sie bestellt hatten, erzählte D’Artagnan, was ihm passiert war. Bei dem Namen Mylady zuckte Athos merklich zusammen und auch Aramis und Portos sahen einander erschrocken an. „Was hat es mit dieser Frau auf sich?“ D’Artagnan konnte sein Erstaunen über die Reaktion seiner Freunde nicht verbergen. Da Athos scheinbar nicht gewillt war, irgendein Wort darüber zu verlieren, fing Portos an zu erzählen. „Diese Frau hat unseren Athos ins Verderben gestoßen.“ Nun war es an D’Artagnan geschockt zu schweigen. Er wollte schon das Thema wechseln, als Athos selbst fort fuhr. „Ich war einst mit ihr verheiratet. Ihr Name lautete Anne de Breuil. Sie war die schönste Frau, die mir je begegnet war. Wir waren glücklich. Dann wurde sie schwanger.“ Sein Blick verdunkelte sich. „Als das Kind da war, geschah das unfassbare.“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Aramis legte seinem Freund die Hand auf dessen Arm. „Sie opferte unser Baby dem Teufel. Sie hat es einfach umgebracht.“ D’Artagnan schluckte. Bestürzt sah er Athos an. „Wie kann eine Mutter zu so etwas fähig sein.“ Athos’ Blick schweifte in die Ferne. „Ich musste sie bestrafen. Also setzte ich sie auf ein Pferd, schob ihren Kopf in die Schlinge und befestigte diese an einem Baum. Ich habe gesehen, wie sie dort hing.“ Er schaute Aramis flehend an. Dieser fuhr leise fort. „Aber irgendwie muss sie sich befreit haben. Wahrscheinlich hat ihr jemand geholfen.“ Er seufzte. „Vor wenigen Wochen begegnete Athos ihr wieder. Ich werde wohl niemals sein Gesicht vergessen, als er sie auf einem Ball des Königs entdeckte. Er war bleich wie der Tod.“ Athos ergriff wieder das Wort. „Sie stand dort mit Kardinal Richelieu. Und dann sah ich es. Auf ihrer Schulter. Das Zeichen der Lilie.“ D’Artagnan verstand nicht. „Das Zeichen der Lilie deutet auf einen Pakt mit dem Teufel hin.“ Erklärte Aramis ihm. „Seit dem versuchen wir Myladys Racheplänen zu entgehen.“ Fügte nun Portos ein. „Das sie Athos zu vernichten versucht leuchtet mir ein.“ Meinte D’Artagnan. „ Aber warum auch Aramis?“ Nun war es an diesem bleich zu werden. „Es hängt mit seiner Herkunft zusammen.“ Setzte Athos zu einer Erklärung an. „Seine Vorfahren waren … nun sie waren sehr mächtig im Kampf gegen das Böse.“ Er sah Aramis fragend an. Dieser nickte. Und so erzählte Athos den Freunden, was er an jenem Tag des Reiterduells auf dem Turnierplatz erfuhr. Als er geendet hatte, herrschte ein undefinierbares Schweigen. Einerseits waren Portos und D’Artagnan beeindruckt über das Gehörte, andererseits wurde ihnen um die Last bewusst, die ihr Freund damit zu tragen hatte. „Der letzte Nachkomme der Valinar.“ Bedächtig sprach Portos die Worte aus. „Da Mylady einen Pakt mit dem Teufel besiegelte und dessen gefährlichster Gegner schon immer das Volk der Valinar war, ist es logisch, dass Myladys stärkster Gegner Aramis ist.“ D’Artagnan fügte die Puzzleteilchen zu einem Ganzen. „Wir müssen sie endgültig vernichten.“ Portos sprach aus, was alle dachten. „Wir können sie nicht so einfach besiegen.“ Athos ließ die Schultern hängen. „Warum?“ fragte Portos. „Der Vertrag, den sie schloss wurde mit Blut besiegelt.“ Warf Aramis ein. „Wir brauchen den Vertrag, um diesen zu vernichten. Nur so können wir Mylady erledigen.“ Entschuldigend sah er zu Athos. Dieser schüttelte nur mit dem Kopf. „Du hast Recht, Aramis. Wir müssen ihr ein für allemal das Handwerk legen.“ Resigniert stützte Portos seinen Kopf in die Hände. „Und wo ist der Vertrag?“ Aramis’ Augen blitzten. „Wo hinterlegt man einen Vertrag mit dem Teufel?“ Athos lächelte. „Da, wo man ihn am wenigsten vermutet.“ D’Artagnan sprang auf. „In einer Kirche!“ Aramis nickte bedächtig. „Das stimmt schon annähernd.“ Verwundert sahen ihn seine Freunde an. „Dort wäre er zu wenig bewacht. Nein, er ist an einem Ort, an dem so viele Männer oder Frauen zugange sind, dass sich der Vertrag immer unter unbeabsichtigter Bewachung befindet.“ Triumphierend wartete er auf eine Antwort. Schließlich ging Athos ein Licht auf. „In einem Kloster!“ Grinsend nickte Aramis. „Du sagst es. Jetzt haben wir nur noch ein kleines Problem.“ Portos stöhnte auf. „Was denn noch?“ Beschwörend fragte Aramis „In welchem Kloster befindet sich der Vertrag?“ Seine Freunde konnten es nicht glauben. Ihm schien es direkt Spaß zu machen, sie so auf die Folter zu spannen. „Nun sag schon.“ Meinte Athos. Aramis sah ihn überrascht an. „Ich weiß es nicht.“