Je suis une femme von Engel aus Kristall

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Kapitel Kapitel 20

Kapitel 20



Herrlicher Duft drang in meine Traumwelt und ich blinzelte verschlafen. Das jähe helle Licht der durch das Dachfenster herein fallenden Sonne schmerzte für einen Moment in meinen an das Dunkel der Nacht gewöhnte Augen. Verwundert betrachtete ich den Raum, in dem ich mich aufhielt. Ich benötigte etwas Zeit, um mich zu erinnern, wie ich hierher gelangt war. Der Mann, der mich am vergangenen Abend so leidenschaftlich und doch zärtlich geliebt hatte, platzierte mit einem Lächeln ein Tablett vor mir auf der Bettdecke.
„Guten Morgen“, sagte er sanft. „Ich habe Euch Frühstück mitgebracht, schließlich müsst Ihr gut essen.“
Röte durchzog meine Wangen. Es war ihm also nicht entgangen. Das Baguette mit Käse und den starken schwarzen Kaffee nahm ich gerne an, beides schmeckte köstlich und ließen das Leben in meinen Körper zurück kehren.
„Danke für das herrliche Frühstück“, meinte ich mit einem Lächeln zu ihm, als ich aufgegessen hatte. „Seid Ihr gar nicht hungrig?“
Er vollführte eine ablehnende Geste. „Ich habe schon gegessen, als Ihr noch im Traumreich verweiltet.“ Sein Blick streifte verstohlen meinen Unterleib, er schien für einen Moment zu überlegen, ob er aussprechen sollte, was ihm auf der Zunge lang. „Was ist denn mit dem Vater Eures Kindes geschehen?“
Kummervoll beim Gedanken an das unrühmliche Ende meiner Ehe mit Olivier senkte ich den Kopf. „Er ist tot.“
„Das tut mir leid“, sagte der Graf mitfühlend. „Ich wollte Euch nicht zu nahe treten, bitte verzeiht mir.“
„Schon gut. Es ist ja nicht mehr zu ändern.“ Diese Notlüge erschien mir die einfachste Möglichkeit das Thema schnell zu beenden und mir weitere unangenehme Fragen zu ersparen. Und eigentlich entsprach es auch bisschen der Wahrheit. Olivier lebte zwar noch, nahm ich an, doch meinen Ehemann gab es nicht mehr. Für eine Weile schwiegen wir beide und ich lauschte den dumpfen Schlägen einer nahen Kirchenglocke, die durch die Gassen hallte. In Gedanken zählte ich mit, bis sie bei zehn verstummte und es mich siedend heiß traf. Dass es so spät war, hatte ich nicht gedacht. Bereits in einer Stunde erwartete mich Kardinal Richelieu, damit ich ihm darlegen konnte, was ich dem Grafen de Saint Germain so an Geheimnissen entlockt hatte.
„Ich muss gehen!“ stieß ich hervor, sprang eilig auf die Beine. Nur ungern wollte ich ihn jetzt einfach so stehen lassen, ich sah ihn entschuldigend an. „Danke für den schönen Abend gestern, für das Frühstück, auch für Eure Worte... es gibt so vieles in der kurzen Zeit, wofür ich mich bei Euch bedanken muss.“
Er lächelte mich an und da war wieder dieser Ausdruck in seinem Gesicht, der mir zeigte, dass ich einen viel reiferen lebenserfahreneren Mann vor mir hatte, als sein jugendliches Aussehen verriet. „Genauso habe ich Euch zu danken, ich habe Eure Gesellschaft sehr genossen.“ Er zog die Kette hervor, die er unter dem Gewand verborgen trug und legte sie mir in die Hand. Ich erinnerte mich dunkel daran den weißen Anhänger in Form einer gewundenen Schlange, der an einem Lederband hing, am Vorabend an seinem Hals bemerkt zu haben. „Das möchte ich Euch gerne schenken. Ich habe den Anhänger aus Afrika mitgebracht, er stellt einen Flussgott dar und er bringt Glück. Ihr könnt ihn über die Wiege hängen, wenn Euer Kind geboren ist.“
Behutsam, beinahe ehrfürchtig strich ich über die glatte Oberfläche des außergewöhnlichen Stückes. „Er ist wunderschön, vielen Dank! Werde ich Euch denn jemals wiedersehen?“
Erneut umspielte ein geheimnisvolles Lächeln seine Lippen. „Ich werde bald nach Ägypten reisen. Wenn das Schicksal es so will, kreuzen sich unsere Wege bestimmt eines Tages erneut. Bis dahin, lebt wohl. Ich wünsche Euch das Beste.“
„Ich Euch ebenso...“ antwortete ich leise. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Abschiedskuss auf die Wange. Dann eilte ich davon, ohne auch nur ein einziges Mal zurück zu blicken, auf das Haus, in die Gasse. Wenn ich etwas im Leben gelernt hatte, dann nur nach vorne zu blicken, niemals hinter mich.

Der Kardinal hob die Augen von den Papieren auf seinem Tisch, als sein Gardist mich in den prächtig ausgestatteten Raum wies, den ich bereits kannte. Seine Augenbraue glitt kaum merklich in die Höhe..
„Seid gegrüßt, Eminenz“, begann ich höflich, während ich abwartend ein paar Schritte entfernt von der großen Tür stehen blieb.
„Ah, meine liebe Anne. Tretet näher.“ Er wies auf den Stuhl ihm gegenüber auf der anderen Seite des Tisches.
Schweigend nahm ich Platz, ohne auch nur für einen Moment den Blick von ihm abzuwenden. In einer fließenden Bewegung erhob er sich, trat langsam vor mich. Da war wieder dieses angedeutete Grinsen in seinen Mundwinkeln, das mir nicht behagte. Seine stechenden Augen glitten anzüglich über meinen Körper und ich neigte mich ein wenig vor, damit das Kleid unter keinen Umständen um meinen Bauch spannte. Er würde es erfahren, doch wollte ich das so lange hinaus zögern, wie es möglich war.
„Nun, was habt Ihr mit denn Schönes mitgebracht?“ fragte er schließlich.
Ich versuchte meine Stimme fest und sicher klingen zu lassen, als ich zu einer Antwort ansetzte. „Der Graf de Saint Germain dürfte tatsächlich ein so kluger Mann sein, wie Ihr ihn mir beschrieben habt. Er weiß seine Geheimnisse zu hüten. Leider waren meine Bemühungen diesmal nicht erfolgreich.“
Zorn blitzte in seinen Augen. Jäh packte er mich am Kinn, riss meinen Kopf so heftig in die Höhe, dass ich einen Schmerzenslaut unterdrückte. „Wie könnt Ihr es wagen?! Dieser Auftrag war von allergrößter Wichtigkeit, habe ich Euch das nicht deutlich genug gemacht? Ihr habt mich enttäuscht Anne. Vielleicht habe ich mich geirrt und Ihr seid doch nicht so gut wie ich dachte.“
Ich widerstand der Versuchung mir ans Kinn zu fassen, als er seinen eisernen Griff löste. „Eminenz, ich habe mein Bestes versucht, doch offensichtlich hält er es nicht unähnlich wie Ihr selbst. Er traut niemandem.“
Der Kardinal lachte leise. „Nun ja, er ist zweifelsohne keiner von diesen dummen verwöhnten Adelssprösslingen, wie Ihr sie bisher nur zu leicht um den kleinen Finger gewickelt habt. Ihr sollt noch eine Chance erhalten, heute will ich gnädig sein. Aber wagt es ja nicht mich noch einmal zu enttäuschen, habt Ihr verstanden?“ Er zog mich an den Schultern in die Höhe, sodass ich ihm dicht genug gegenüber stand, um seinen heißen Atem im Gesicht zu spüren.
„Ja, Eminenz“, entgegnete ich nur kühl.
Leicht, beinahe zärtlich strich er mir über die Wange, was mich eiskalt erschauern ließ. Seine Hand glitt langsam meinen Hals hinab. Ich widerstand dem Drang so schnell wie möglich Abstand zwischen ihn und mich zu bringen, um ihn nicht unnötigerweise in Rage zu versetzten.
„Ihr seid eine bemerkenswert reizvolle Frau, Anne“, säuselte er. Als er mich zu küssen versuchte, drehte ich rasch den Kopf zur Seite, was ihm einen irritierten Blick entlockte.
„Euer Gelübde sieht solcherlei bestimmt nicht vor, korrigiert mich“, sagte ich gelassener als mir innerlich zumute war.
Erneut lachte er amüsiert. „Auch Gottes Sohn war den körperlichen Freuden nicht abgeneigt, wenn man zur Bibel noch weitere Schriften studiert.“ Gierig umfasste er meine Brüste.
„Ich rate Euch Eure Finger lieber bei Euch zu behalten, sonst endet unsere Zusammenarbeit hier und jetzt, sobald ich durch diese Tür gehe“, zischte ich.
„Habt Ihr denn keinen Sinn für ein kleines Vergnügen?“ Der Kardinal drückte mich gegen die Kante des großen Tisches. „Kirchenmännern scheint Ihr ja sonst nicht abgeneigt zu sein.“
„Das hängt davon ab, ob mir eine Wahl gelassen wird!“ Rasch entzog ich mich seinen Annäherungen, suchte genügend Abstand, um aus seiner Reichweite zu gelangen. Dieser Mensch widerte mich an! Er wusste genau, dass ich mich diesem Priester keineswegs aus freien Stücken hingegeben hatte, es interessierte ihn nur nicht. In seinem Weltbild konnte ein Mann mit einer Frau anstellen was er wollte, und sie hatte ihm bedingungslos zu gehorchen. Wenn er mich jedoch für ein solches dummes unterwürfiges Weib hielt, irrte er sich gründlich! Für ihn hatte ich meinen Körper verkauft, doch bevor ich mich auch noch zu seiner Hure machen ließ, wollte ich eher mein Ende auf der Straße finden. Dieses letzte bisschen Stolz hatte ich vor mir zu bewahren.
Von meiner Reaktion offenbar überrascht, hob Richelieu die Augenbrauen, verzichtete jedoch darauf sich mir wieder zu nähern. „Entweder seid Ihr sehr mutig, oder aber ausgesprochen töricht, mir Widerspruch zu leisten. Ihr habt Euren eigenen Kopf, das gefällt mir. Nun geht, Ihr werdet von mir hören, wenn ich einen neuen Auftrag für Euch habe.“ Er wies mit dem Kopf auf die Tür. „Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ich bekomme immer was ich will.“
     
So schnell ich konnte, ohne in einen Laufschritt zu verfallen, verließ ich die Räumlichkeiten des Kardinals, bevor er es sich vielleicht doch noch anders überlegte. Der Gardist, der mich hergebracht hatte, geleitete mich nun auch wieder ins Freie. Kalter Wind blies durch die Straßen und ich fröstelte, denn mein Kleid war für diese Jahreszeit ein wenig zu leicht. In der Eile hatte ich meinen Umhang im Zimmer des Grafen zurück gelassen. Weil ich nur diesen einen besaß, machte ich mich auf den Weg, ihn zu holen. Es dauerte nicht lange bis ich das Haus erreicht hatte. Auf mein Klopfen hin, öffnete ein kleiner dünner Mann, offenbar der Eigentümer.
„Guten Tag, Monsieur“, begann ich höflich. „Ich wollte zum Comte de Saint Germain. Ist er da?“ Mein Blick fiel für einen Moment auf das Dachfenster.
Mein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Bedauerlicherweise ist er bereits fort, er wollte nach Marseille, glaube ich. Er sagte, dass Ihr vielleicht kommen würdet.“
Überrascht blieb ich zurück, als der Mann im Inneren des Hauses verschwand, um kurz darauf mit dem Umhang in den Händen zurück zu kehren, den ich vergessen hatte. „Ich nehme an, Ihr seid deswegen hier.“
„Ja, ich danke Euch sehr“, antwortete ich, während ich das Kleidungsstück entgegen nahm und um meine Schultern legte. Endlich begann es mir wieder schön warm zu werden. „Ich will Euch nun nicht länger aufhalten. Auf Wiedersehen, mein Herr, einen schönen Tag.“
„Euch auch, Madame“, Er lächelte leicht, schloss die schwere knarrende Tür, als ich mich zum Gehen wandte.
Mein Blick glitt ein letztes Mal hinauf zu dem Dachfenster. Insgeheim hatte ich gehofft den Grafen noch einmal wiederzusehen. Es sollte wohl nicht sein. Es gab Menschen, die einfach nicht dafür geschaffen waren, immer am selben Ort zu bleiben und er gehörte wahrscheinlich dazu. Ich glaubte nicht, dass ich ihm jemals wieder begegnen würde, auch wenn er dies angedeutet hatte. Die wenigen Stunden mit ihm gaben mir mehr, als die meisten anderen Menschen, mit denen ich viel mehr Zeit verbracht hatte. Hoffnung. Das Gefühl von jemandem so gesehen zu werden wie ich war.