Je suis une femme von Engel aus Kristall

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Kapitel Kapitel 7

Kapitel 7



Mit dumpf schmerzendem Unterleib kauerte ich zusammen gesunken in der am weitesten vom Bett entfernten Ecke des Raumes. Die Tür hatte er hinter sich abgesperrt. Ich war gefangen, war ihm ausgeliefert. Warum hatte er mir das angetan? Er war doch am Anfang so nett und hilfsbereit gewesen. Aber wahrscheinlich nur, damit ich ihm vertraute und er ein leichtes Spiel mit mir hatte. Ich fühlte mich so schmutzig und benutzt. Was gab ihm das Recht sich an mir zu vergehen, weil es ihm gerade passte? Nur die Tatsache, dass ich eine Frau, mehr noch ein Mädchen war?
Erst als es langsam hell wurde, fand ich genug Kraft, um mich auf die Beine zu rappeln. Der Boden knarrte unter meinen Schritten. Ich hielt in der Bewegung inne, als ich mit der Spitze meines Schuhs gegen etwas Hartes stieß. Vor mir, und direkt neben dem Bett lag eine Kette mit einem goldenen Kreuz als Anhänger. Es war seine, ich musste sie ihm vom Hals gerissen haben, als er mich vergewaltigte. Zögernd hob ich das Kreuz auf, es fühlte sich schwer und kühl in meiner Hand an. Es war mit Sicherheit echtes Gold und das machte es sehr wertvoll. Und Geld konnte ich gebrauchen, um mir etwas zu essen zu kaufen, und vielleicht, wenn es reichte, sogar ein neues Kleid.
Das erinnerte mich daran, dass ich im Moment nur die Unterwäsche zum Anziehen hatte. Mein Kleid hing immer noch im anderen Zimmer neben dem Kamin. Als ich das Schloss untersuchte, schwand meine Hoffnung vollends. Ich hatte keine Möglichkeit es zu öffnen. Resignierend ließ ich mich auf den Boden sinken. Alles was ich tun konnte, war zu warten, dass er die Tür wieder aufschloss. Und dann?

Es dauerte nicht sehr lange, bis ich eine Antwort erhielt. Ich hörte Stimmen, offenbar hatte er Besuch. Und dann wurde der Schlüssel im Schloss umgedreht. Meine blitzartige Überlegung, einfach loszurennen und versuchen ins Freie zu gelangen, verwarf ich wieder. Als ich sein Gesicht sah, kochten die Gefühle in mir auf, ich spürte eine unbändige Lust es ihm zu zerkratzen, für das was er mir angetan hatte.
„Guten Morgen, meine Hübsche. Ich hoffe du hast in dem alten Bett auch halbwegs schlafen können.“
Ich schwieg, funkelte ihn nur voller Hass an. Lieber hätte ich auf einem Nagelbrett übernachtet, als mich noch einmal in das Bett zu legen, in dem er mich fast unter seinem Gewicht erdrückt hätte.
„So still heute? Gestern Abend warst du gar nicht auf den Mund gefallen.“ Er sah seinen Begleiter an, einen klein gewachsenen, aber äußerst kräftig gebauten Mann mit ordentlich gebändigtem hellbraunem Haar. „Die ist ganz und gar nicht so unschuldig, wie sie wirkt, das kann ich dir sagen.“
Sein Blick fiel auf meine Hand, mit der ich das Kreuz fest umschlossen hielt. „Was hast du denn da? Zeig es mir.“
Er packte mich eisern, sodass ich nicht anders konnte, als meinen Fund loszulassen. Als er das Schmuckstück entdeckte, verzerrte sich sein Gesicht im Zorn. „Du kleines Biest hast mich verführt und jetzt bestiehlst du mich!“
In diesem Moment setzte in mir etwas aus. Ich schlug und trat um mich wie ein wildes Tier, im Versuch mich aus seiner Umklammerung zu befreien. Als ich ihn mit voller Wucht am Schienbein traf, stieß er mich mit einem Schmerzenslaut von sich. Ich prallte heftig mit dem Kopf gegen die Kante der Tür, und es wurde mir schwarz vor Augen.

Zunächst wusste ich nicht wo ich mich befand, als ich wieder zu mir kam. Mein Kopf schmerzte. Der Boden des kleinen Raumes war mit Stroh ausgelegt, nur in einer Ecke lagen ein paar dreckige zerschlissene Decken. In die massive Holztür war ein vergittertes Fenster eingelassen, durch das ich draußen im Gang eine Reihe gleichartiger Zugänge erkennen konnte. Das war ein Gefängnis. Aber warum war ich hier? Ich hatte doch nichts verbrochen, nicht einmal die Kette geklaut. Zugegeben, ich hatte sie bereits in der Hand gehabt.
Es machte mich halb wahnsinnig in diesem beengenden Raum eingesperrt zu sein, und nicht zu wissen weshalb, oder für wie lange. Bald hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ob Stunden oder Minuten vergingen spielte keine Rolle.
Die einzige Ablenkung von der Trostlosigkeit und Einsamkeit dieses Ortes bildete ein junger Bursche, der mir durch das vergitterte Fenster etwas Brot und Wasser gab. Im spärlichen Licht konnte ich erkennen, dass er etwa in meinem Alter sein mochte. Er wirkte tollpatschig, weil er gar so groß und schlaksig war.
„Danke“, sagte ich zu ihm und trank gierig ein paar Schlucke Wasser.
„Schon gut, ich mache ja nur meine Arbeit.“ Seine Augen suchten die meinen. „Du musst es dir gut einteilen.“
Mit einem kaum merklichen Nicken stellte ich den kleinen Krug beiseite. Mein Durst war noch lange nicht gestillt, aber er hatte recht.
„Warum bist du eigentlich hier? Stimmt es, was Monsieur Dominic sagt?“
Dieser Name ließ mich beinahe bittere Galle hochkommen. Ich konnte mir schon vorstellen was er über mich erzählte, schließlich hatte ich die an seinen Begleiter gerichteten Worte gehört. Wut zerrte wie eine reißende Bestie an meinen Eingeweiden. Auf den Priester, auf meinen Vater. Einfach auf alle Männer, die der Meinung waren mit Frauen tun zu können, wonach ihnen war.
„Glaubst du ihm denn?“ fragte ich meinerseits.
Er zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Hast du es getan?“
„Nein.“ Und ich sagte ihm, dass der ach so feine Mann Gottes in Wahrheit über mich hergefallen war. Ob er meiner Erlärung Glauben schenkte, wusste ich nicht. Da rief eine harsche Männerstimme seinen Namen und er musste gehen. Er hieß Paul.

Nach einer Ewigkeit des stetigen Stöhnens und Jammerns meiner Mitgefangenen hörte ich endlich wieder Schritte auf dem Gang. Jemand blieb vor der Tür zu meiner Zelle stehen. Ob es wieder der junge Bursche war? Mein Herz tat einen Sprung, als das schwere Schloss entfernt wurde. Würden sie mich einfach so gehen lassen?
Endlich sah ich den Himmel wieder, aber die Freiheit blieb mir verwehrt. Der finster aussehende Mann, der mich geholt hatte, brachte mich zu einem Platz, in dessen Mitte ein hölzerner Pfahl aufragte. Das andere Ende des Strickes, mit dem meine Hände gefesselt waren, band er fest an diesen.
Nach und nach versammelten sich immer mehr Menschen, stierten mich mit einer Mischung aus Neugier und Verachtung an. Dann sah ich ihn. Er befand sich in Begleitung des Priesters. Sein Aussehen war edel, die Gestalt hoch gewachsen und in teure Stoffe gehüllt. Das Rot seiner Kleidung schimmerte im strahlenden Sonnenlicht wie Samt und Seide. Ein großes goldenes Kreuz hing um seinen Hals, protzige Ringe zierten seine Finger. Das fast bis zu den breiten Schultern reichende Haar war fein säuberlich gekämmt. In seinen kleinen stechenden Augen spiegelte sich ein überlegener Ausdruck wieder. Mit diesem Mann wollte ich auf keinen Fall etwas zu tun haben.

Er ließ seinen Blick zunächst über die Menge schweifen, die sich mittlerweile um den Platz herum versammelt hatte, ehe er mich ansah.
„Du wirst beschuldigt einen ehrbaren Mann Gottes aufs Schändlichste verführt und dann bestohlen zu haben.“ Seine Stimme war bedrohlich kühl. „Wie eine dreckige Straßenhure.“
„Jaah, Hure!“ schrie da einer der anwesenden Menschen.
Ich starrte den feinen Herrn ungläubig an. „Aber das ist nicht wahr, er ist…“
„Schweig!“
„Nein! Was Ihr mir vorw…“
Er schlug mir plötzlich ins Gesicht. „Ich sagte schweig!“
Hasserfüllt sah ich ihn an. Warum meinte jeder Mann, dem ich begegnete, mit mir umgehen zu können, wie es ihm beliebte? Eine sich mir von der Seite nähernde Gestalt erweckte meine Aufmerksamkeit. Es war wieder der Finsterling, der mich hierher gebracht hatte, und jetzt hielt er einen metallenen Stab in der Hand.
„Dieses Zeichen wird dich und alle, die du triffst, dein Lebtag nicht vergessen lassen, was du getan hast… was du bist“, verkündete der rot gekleidete Herr.
Der andere stand nun dicht neben mir. Mit einem Ruck entblößte er meine rechte Schulter und drückte mir das glühende Metall auf die Haut. Die Pein trieb mir Tränen in die Augen. Damit mir nur ja kein Laut entkam, biss ich mir auf die Lippe, bis ich warmes Blut schmeckte. Den Triumph mich vor Schmerz schreien und winseln zu hören, wollte ich ihnen nicht auch noch gönnen. Sie konnten mich demütigen, aber wenn sie dachten sie hätten mich besiegt, dann irrten sie.
Ich schwieg beharrlich, als der feine Herr mich am Arm zur Seite zog, um das frische blutende Brandzeichen in meiner Haut der neugierigen Menge zu präsentieren. Jetzt konnte ich es auch selbst erkennen, es stellte eine bourbonische Lilie dar. Es war ein Fluch, der für den Rest meines Lebens an mir haften und mich daran erinnern würde, welcher Platz mir in dieser Gesellschaft zugedacht war.