Septembersonne von Maron
Durchschnittliche Wertung: 4, basierend auf 1 BewertungenKapitel Pläne für Frankreich
2. Kapitel – Pläne für Frankreich
Unterdessen auf einem Platz in der Nähe der Bastille, sprachen
Athos und d´Artagnan unter einer hohen Linde, deren Blätter noch
immer saftig grün waren, über den Plan.
„Wie, Ihr habt Aramis nur den halben Plan erzählt und Porthos gar
noch einen winzigeren Teil?“ fragte Athos aufgeregt.
„Ja, so ist es.“ bestätigte d´Artagnan lächelnd.
„Kein Wunder, dass unser Aramis, der ja den Plan nicht bis zur
Vollendung kennt, in den letzten Tagen so gegen ihn war. Ich
glaube, das war keine gute Idee, Aramis und Porthos davon nicht in
Kenntnis zu setzen!“
„Sie meinen das Einschleusen unseres Spiones?“ lachte d´Artagnan
siegessicher. „Keine Sorge, noch heute will ich Aramis und Porthos
darüber aufklären!“
„Gut, aber zuvor erklären Sie den Plan mir, d´Artagnan!“ bat
Athos.
D´Artagnan räusperte sich kurz und begann:
„Wie Sie sicherlich wissen, wird der König bald eine Dummheit
begehen. Dies, weil er Kardinal Richelieu traut und für ihn bürgt.
Wir wissen genau, was der Kardinal tatsächlich vorhat! Ist es nicht
so, dass er nach dem Herrscherthron strebt und Ludwig stürzen und
die ganze Königsfamilie am liebsten in Ungnade fallen lassen würde?
Er ist geschickt in der Politik und die letzten Briefe, die ich
abgefangen habe, sprechen dafür, dass der Kardinal Spanien und
England dazu reizt, einen Krieg mit Frankreich zu beginnen!
Natürlich hat Richelieu alles geplant, sollte es nämlich zu
besagten Kriegen kommen, würde er dem König und die Königsfamilie
die Schuld geben. Er selbst würde aber, dank des Aufstandes in
Frankreich von den Bürgern, den König absetzen und sich für
Friedenserklärungen einsetzen. Die Bürger, dumm wie sie sind,
würden fortan Richelieu alles glauben. Damit hätte der Kardinal
endlich sein Ziel, den Thron, erreicht. Zudem müssen wir einen
alten Kameraden aus der Bastille helfen! Ihr wisst von wem ich
spreche, es ist Herr de Veillon! Angeklagt wegen Unruhestiftung und
Diebstahls sitzt er unschuldig, wie wir wissen, in der Bastille!
Der arme Kerl!“
„Tatsächlich! Ich erinnere mich an die Briefe, die Sie mir gaben!
Aber wie wollen Sie das nun anstellen? Und was hat es mit dem
Einschleusen eines Spiones auf sich?“
„Geduld, Freund, Geduld!“ mahnte d´Artagnan mit einer Gebärde, die
Athos verraten liess, dass nun die Antwort auf seine Frage
kam.
„Da wir selbst nicht stets im Palais Royal sind, müssen wir einen
Vertrauten hinschicken. Da kommt uns der nächste Ball gerade recht!
Der König wird einige ausgewählte arme Bürger einladen, die in
letzter Zeit spezielle Dienste erwiesen haben. Ich habe es vor drei
Tagen von Monsieur de Tréville erfahren. Also gilt es, jemanden
hinzuschicken, dem der König schon nach kurzer Zeit tiefes
Vertrauen entgegenbringt und auch Rat von jener Person zu sich
nimmt. Zum einen können wir somit Richelieu etwas aus seiner
Schusslinie bringen und andererseits wissen wir aus erster Hand,
was sich im Schlosse tut! Wir müssen Ludwig dazu bringen, dass er
sich nicht weiter von Richelieu einnehmen lässt und ihn fortan nur
als Kardinal, nicht aber als Politiker oder gar Frankreichs zweiter
Herrscher ansieht.“
Athos schluckte. Mit einem solchen infamen Plan hatte er nicht
gerechnet. Obwohl sich alles nicht sehr schwer anhörte, konnte er
sich alle Schwierigkeiten bildlich vorstellen. Harte Wochen würden
auf die vier Freunde zukommen.
„Unser Spion muss aber eine grossartige Person sein. Ich kenne aber
keine, die einem armen Bürgerlichen gleichen würde.“ Seufzte
er.
„Doch, natürlich! Planchet!“
„Planchet?!“ wiederholte Athos vom Schlag getroffen. D´Artagnan
hatte dies so ernst gesagt, dass es Athos für einen Moment die
Sprache verschlug. „Aber Planchet hat nie etwas grosses geleistet,
dass der König ihn einladen würde!“
„Noch nicht, Athos! Noch nicht! Ich habe dafür aber auch schon
einen Plan! Aramis und Porthos, die nun die Gängigkeiten auf dem
Markt beobachten, wissen heute Abend bestens, was die Leute zurzeit
am meisten erregt. Wir zetteln den dazugehörigen Streit inmitten
des Marktes an und machen aus Planchet einen Helden. Der König wird
davon erfahren, von mir, von Tréville oder von seinen vielen
Dienern, dies ist gleich. Und so wird eine Einladung folgen.“
„Und Planchet haben Sie davon in Kenntnis gesetzt? Er muss alles
menschenmögliche tun, damit Ludwig ihn als vertrauenswürdige Person
ansieht und ihm eine Stelle bei Hofe verschafft!
„Ja, der gute Planchet weiss Bescheid. Anfangs war er natürlich
dagegen, aber ich habe solange auf ihn eingeredet, bis er nachgab.
Ich weiss, dass er sein bestes tun wird und es ist auch nicht
schwer, Planchet schnell vertrauen zu können!“
„Was passiert, wenn Ihr Plan schief geht?“
„Darüber möchte ich mit Ihnen und Aramis und Porthos heute Abend
sprechen!“
Athos wollte es so belassen bis zum Abend. Zusammen nahmen sie ihre
Pferde und ritten zu ihrem Dienst, den sie über Mittag hatten.
„Teufelskerl, dieser d´Artagnan!“ schimpfte Aramis, der nun
endgültig genug vom Beobachten hatte, und warf den Strunk des
Apfels in eine Ecke, wo sich Ratten über Abfall hermachten
Mit diesen Worten verabschiedete er sich von seiner Ecke und
mischte sich unauffällig unters Volk. Als er zu Porthos Versteck
ankam, stand dieser zwar dort, plauderte aber gelassen mit der
Fischhändlerin. Der Gestank war widerlich und Aramis rümpfte die
Nase.
„Aramis!“ freute sich Porthos und liess die Händlerin links liegen.
„Hast du den Kardinal gesehen?“
„Kardinal Richelieu?“ wiederholte Aramis laut.
„Ja, er kam vor einer guten halben Stunde hier durch! Nur mit
seinem Lakaien bewaffnet.“
„Und Ihr habt mir nichts davon erzählt oder auch nur daran gedacht,
mich davon irgendwie in Kenntnis zu setzen?“
„Was glaubt Ihr denn? Ich habe Euch gewunken, habe gepfiffen und
sogar mehrmals Ihren Namen gerufen! Natürlich nicht so laut, sonst
hätte ich ja jeden auf mich aufmerksam gemacht. Aber Sie haben mich
nicht gesehen und so dachte ich mir, dass Sie immer noch wütend auf
mich sind. Und da Ihr mir selbst befohlen habt, auf meinem Posten
zu bleiben, bin ich eben geblieben!“
Aramis war der Verzweiflung nahe. Nicht, weil Porthos achselzuckend
vor ihm stand, sondern weil er schon alle Gefahren ahnte. Wenn der
Kardinal hier auftauchte, waren Kardinalisten nicht weit. Wie lange
sie schon in ihren Verstecken waren und Aramis und Porthos
beobachteten, wollte er gar nicht wissen.
„Los, gehen wir zu Tréville! Ich muss wissen, wo d´Artagnan heute
Dienst hat und muss ihn aufsuchen! Er war es doch, der uns damit
beauftragt hatte, den Markt zu beobachten, also sollte er auch
davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Herr Kardinal einfach so
mal durch den Markt läuft.“
„Beruhigen Sie sich, Aramis!“ meinte Porthos ein wenig erschrocken
von der Eile seines Freundes. „Wir werden d’Artagnan und Athos
heute Abend in der Schenke „Zur eisernen Blume“ treffen und
gemeinsam Abendessen. Da werden wir ihnen alles erzählen können,
was wir heute gesehen haben!“
„Und was gedenken Sie nun hier zu tun, da uns Kardinalisten auf den
Hals gehetzt werden?“ fragte Aramis beinah erschöpft von seinen
Gedanken.
„Mmh, wir lassen sie einfach. Wenn wir uns nicht rühren, können die
Kardinalisten auch keine Botschaften übermitteln, die Richelieus
Gemüt befriedigen würden. Er ist doch nur darauf hinaus, dass wir
etwas anstellen, mit dem er uns beim König anzeigen kann!
Papperlapapp, wir bleiben auf dem Markt, kaufen uns was zu essen
und lassen es als Spesen verrechnen.“
Aramis brauchte lange, um jedes Wort von Porthos verstehen zu
können, da dieser mit seinen gewaltigen Händen jedes Wort in eine
Geste wiedergab und Aramis stets vor den Pranken ausweichen musste.
Aber da Porthos sich wohl nicht vor heute Abend vom Markplatz
wegbringen liess und Aramis keine Kraft besass, ihn wegzutragen,
musste er wohl oder übel den Tag damit verbringen, gelangweilt die
Stände anzustarren und Porthos beim essen zuzusehen.
„Sie haben mich überzeugt, Porthos. Da man uns aber bereits
erblickt hat, müssen wir also nicht mehr weiter in unseren,
wahrlich stinkenden und düsteren, Verstecken ausharren! Laufen wir
doch gemeinsam den Markt rauf und runter, da wird uns genauso wenig
entgehen, wie aus unseren Verstecken!“
„Eine gute Idee! Beginnen wir dort drüben!“ meinte Porthos und
zeigte auf einen Stand mit Backwaren. Aramis seufzte und nickte
schliesslich. Wenn es einen Tag des Essens gab, dann war dieser
heute. Umherblickend und in einer Gemütsfühlung der Schwere und
Langeweile, trottete der Musketier dem Hünen nach und wartete
geduldig bei jedem Stand darauf, dass Porthos sich sattgegessen
hatte.
Was für ein Tag, dachte sich Aramis, Kardinalisten beobachten
Porthos beim Essen und mich beim langweilen.