Und täglich grüßt das Murmeltier von xalibur 

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Kapitel Revanche

was aus dem Priesterschüler wurde (aus Aramis Sicht)


Dieser eine Stoß veränderte auf plötzliche und radikale Weise mein ganzes Leben. Ein Jahr lang hatte ich auf diesen Tag hingearbeitet, hatte mir den besten Fechtlehrer in Paris genommen und mich geduldig und unbarmherzig geschunden, um die Fechtkunst nicht nur gut, sondern hervorragend zu erlernen. Ein Jahr lang hatte ich mir den Tag dieses Treffen immer wieder ausgemalt und die Genugtuung, die ich empfinden würde. Und ich hatte Genugtuung empfunden, von dem Moment an, als ich den feinen Herrn Soldaten aus der lustigen Gesellschaft herausgeholt hatte, als ich sein überraschtes Gesicht sah, seine Siegesgewißheit, die ihm bald vergehen sollte. Ich hatte noch Genugtuung empfunden, als mein Stoß traf, genauso wie ich es oft geübt hatte. Es ging so leicht, so schnell. Er brach zusammen, sah mich noch einmal an und dann wurden seine Augen blicklos, sein Körper schlaff. Und ich fühlte nur noch Entsetzten.

Er war tot, ich hatte ihn umgebracht! Ich war nicht darauf vorbereitet. Seit meinem neunten Lebensjahr war mein Lebensweg klar vorgezeichnet: Ich war dazu bestimmt, Abt zu werden und ich hatte dieses Ziel nie in Frage gestellt. Mit einem Mal hatte sich alles verändert. Ich stellte mit Entsetzen fest, daß ich in all der Zeit, in der ich meine Rache plante, weder einen Gedanken an die frommen Grundsätze verschwendet hatte, die eigentlich mein Leben leiten sollten, noch an ein Danach. Ich tat das einzige, was mir einfiel, ich lief davon - und lies alles zurück, was das Leben des Monsieur d'Herblay ausgemacht hatte.

Die einzige Fertigkeit, die ich außer der Theologie in meinem kurzen Leben erworben hatte, war die Fechtkunst, und so lag der Gedanke nicht so fern, die Soutane gegen den Waffenrock zu tauschen. Und das Schicksal führte mich zu den Königlichen Musketieren und zu zwei Männern, die meine besten Freunde wurden. Zusammen erledigten wir manch delikaten Auftrag.

Diesmal sollten wir wichtige Dokumente widerbeschaffen, die sich ein bedeutender Mann unvorsichtigerweise hatte entwenden lassen. Wir fanden die Spur des Diebes, und doch wären wir beinahe zu spät gekommen, hätten nicht äußerst merkwürdige Ereignisse der Geschichte eine unverhoffte Wendung gegeben.

Wir konnten einen Komplizen des Diebes dingfest machen und dieser war auch recht gesprächig, nur war unser Mann schon aufgebrochen, um die verräterischen Papiere einem Boten seiner Eminenz zu übergeben - und der Treffpunkt lag am anderen Ende von Paris! Wir hatten kaum eine Hoffnung, den Treffpunkt rechtzeitig zu erreichen. Verzweifelt warfen wir uns auf die Pferde, und trieben sie rücksichtslos durch die Stadt. Als uns nur einige hundert Meter von dem bezeichneten Haus trennten, sahen wir vor uns plötzlich ein seltsames Flackern wie Wetterleuchten und unsere Tiere stiegen schreckerfüllt. Ich bin kein schlechter Reiter, doch ich wäre beinahe im Unrat der Gosse gelandet, und es wollte mir nicht gelingen, mein Pferd auch nur noch einen Meter nach vorn zu bewegen. Porthos und Athos erging es nicht besser. Die Pferde bockten und zitterten, als hätten sie den Leibhaftigen gesehen. Kurzentschlossen ließen wir sie stehen, und rannten das letzte Stück zu Fuß.

Uns bot sich ein Anblick, den ich so schnell nicht vergessen werde. Im Hof des bezeichneten Hauses lag der Dieb, gerichtet durch ein Schwert. Sein Kopf war sauber vom Rumpf getrennt. Sein Henker - er mußte es gewesen sein, die Lage ließ keinen anderen Schluß zu - kniete einige Meter entfernt über einem Langschwert zusammengekrümmt. Vermutlich war er verletzt.

Wir betraten den Hof und kreisten den Mann ein. Er schien uns erst zu bemerken, als Athos ihn ansprach. Mühsam kam er auf die Beine. Athos hatte blank gezogen und hieß ihn mit ruhiger Bestimmtheit das Schwert zu übergeben, aber stattdessen nahm der Fremde eine Haltung an, die nichts anderes bedeuten konnte, als wolle er tatsächlich diese Waffe gegen uns erheben. War ihm nicht klar, daß er mit einer so schwerfälligen Waffe nie eine Chance haben konnte? Seine Bewegungen wurden fließender, er drehte sich langsam im Kreis, wohl um uns einzuschätzen. Jetzt konnte ich auch sein Gesicht erkennen - und in dem Moment, wo ich es erkannte, bannte mich ein eisiger Schreck! Ich sah in das Gesicht eines Toten! Es war jener Mann, jener Soldat, an dem ich vor 2 Jahren Rache geübt und damit den Lauf meines Lebens verändert hatte.

Er konnte es nicht sein, mein Verstand wußte das, aber mein Körper gehorchte nur der Stimme des Entsetzen, die flüsterte, daß sein Geist zurückgekehrt war, um mich zu richten. Einen Augenblick stand die Zeit still, dann stürzte er plötzlich auf mich zu und hob das Schwert - und ich war wie gelähmt, unfähig mich zu rühren. Der Schlag traf mich mit Wucht, ich wurde gegen die Toreinfahrt geschleudert und dann weiß ich nichts mehr.