Wem die Stunde schlägt von LadyAramis

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Kapitel Wie Richelieu wieder gute Laune bekam

Als Aramis seinem Vater damals seine Entscheidung mitgeteilt hatte, dass er nach Paris gehen und ein Musketier werden würde, hatte dieser nur gemeint, aus ihm werde wohl tatsächlich nie etwas Vernünftiges. Daran musste er jetzt denken, als er in der dunklen, kalten Zelle sass, die Hände angekettet, die Beine angezogen, den schmerzenden Kopf darauf gebettet. Was würde sein alter Herr wohl erst sagen, wenn die Nachricht käme, sein jüngster Sohn sei als Mörder hingerichtet worden?

Ein Teil von Aramis wollte weinen um Francis, der ihm immer ein aufrichtiger Freund gewesen war und er schämte sich, weil er es nicht konnte. Sein Kopf tat so fürchterlich weh, noch immer verschwamm ihm ständig alles vor Augen und seine Gedanken waren ein einziges Durcheinander. Er versuchte, sich nicht selbst zu bemitleiden, aber wie so oft scheiterte er an sich selbst. Und es war auch gar einfach in Selbstmitleid zu versinken, denn immerhin drohte ihm der Tod, weil er angeblich einen Mann erstochen hatte. Weil er angeblich seinen Freund erstochen hatte.  

Und er konnte sich an nichts mehr erinnern. Alles war ein Strudel aus Farben und Gefühlen, ein wirrer Ablauf von Geräuschen und zusammenhangslosen Gesprächen. Wenn er glaubte, irgendeinen Sinn zu erkennen, entglitt er ihm wieder und sein Kopf strafte ihn mit noch grausameren Kopfschmerzen. Er hätte gerne geschlafen, aber immer wenn er die Augen schloss, sah er Francis‘ lachendes Gesicht, den Dolch in seiner Brust, seinen gebrochenen Blick und die Rote Garde, die ihm sagte, er sei ein Mörder.

„Aramis?“

Die vertraute Stimme liess ihn den schweren Kopf heben. „Porthos?

Tatsächlich tauchte das grinsende Gesicht seines Freundes zwischen den Gitterstäben auf. Aramis blinzelte verwirrt. Sein Kopf musste wirklich bedeutende Schäden davongetragen haben, sah er Porthos doch in einem Damenkleid. Vielleicht war er auch nur eine Illusion und sein verwirrter Geist vermischte seinen besten Freund mit dem Aussehen der Frau, die er liebte.

„Nun, lass doch mal den Kopf nicht hängen. Du wirst nur für einen Mörder gehalten. Das ist jeden von uns mal passiert.“ Die scherzende Stimme von d‘Artagnan hörte sich denkbar unpassend an, in dieser düsteren Atmosphäre, aber er brachte ihn zumindest zum Lächeln.

„Ja. Es scheint die Galgenmänner haben eine Vorliebe für Musketiere.“ Athos. Der immer düstere, sarkastische Athos war ebenfalls gekommen, lehnte sich scheinbar lässig gegen die Gitterstäbe, doch Aramis kannte ihn zu lange, um nicht die Besorgnis in seinen Augen zu lesen oder um nicht zu sehen, wie er den Kiefer fest aufeinanderpresste.

Er ging auf den leichten Ton ein. „Ich wollte Gott immer nahe sein. Jetzt versuche ich eben mal die Auferstehung.“

„Hört auf mit den blöden Scherzen“, knurrte da ausgerechnet Porthos, der sonst für jeden Spass zu haben war, „Francis ist tot und wenn uns nicht schleunigst, was einfällt, dann  folgt Aramis ihm bald! Wir stecken ziemlich tief in der Scheisse!“

Demonstrativ zerrte Aramis an seinen Ketten. „Ach ja? Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen!“

„Aramis. Du musst uns erzählen, was gestern Nacht passiert ist“, sagte Athos mit ruhiger, gelassener Stimme. Und Aramis hätte ihn gerne geantwortet, doch als er sich verzweifelt versuchte zu erinnern, ergriff ihm ein heftiger Schwindel. Keuchend schloss er erneut die Augen und wartete, bis die Übelkeit verebbte. „Ich weiss es nicht mehr“, murmelte Aramis, „der Schlag auf den Kopf. Ich erinnere mich einfach nicht mehr!“

„Aber du musst dich doch an irgendetwas erinnern!“

„Lass ihn, d’Artagnan! Es geht ihm nicht gut.“

„Ohne Kopf wird es ihm noch bedeutend schlechter gehen!“

 Porthos ignorierte Athos‘ und d’Artagnans Kabbeleien. Stattdessen fragte er Aramis im sanften Tonfall: „Hat sich ein Arzt deine Wunde angesehen?“

Aramis schnaubte. „Ja, der königliche Arzt hat sie sich angesehen, danach hat der König selbst mich zu Bett gebracht und Richelieu mir noch einen Gutenachtkuss gegeben.“ Kopfwunden waren immer heikel, das wusste er, aber wahrscheinlich wurde er ja sowieso in ein paar Tagen von seinem ganzen Kopf erlöst. 

„Wir holen dich da raus“, versprach d’Artagnan, „ich habe zwar keinen blassen Schimmer wie, aber wir lassen nicht zu, dass sie dich uns wegnehmen.“

„Wenn wir deine Unschuld beweisen und Francis‘ Mörder finden, können wir dich retten und unseren Bruder rächen“, bekräftigte Athos, bevor er sich mit eleganten Schwung von den Gitterstäben abstiess und mit d’Artagnan im Schlepptau verschwand. Letzterer drehte sich noch einmal, um zu winken, doch Athos zog es wie üblich vor, dass Abschiedsritual einfach auszulassen.

„Ich lass dich nicht im Stich“, versprach Porthos.

Aramis muss trotz all seines Elends lächeln. „Das hast du noch nie.“

„Wenn du irgendetwas brauchst…“

Aramis spürte wie sein Lächeln diabolisch wurde. „Du könntest mir eine Geschichte erzählen. Zum Beispiel, die Geschichte wo du erzählst, warum du ein Kleid trägst.“

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„Was sagst du da? Ein Musketier wurde getötet?“ Richelieu wusste, dass er klang als hätte man Weihnachten vorverlegt, aber er konnte nicht anders. Seiner Meinung nach war nur ein toter Musketier ein guter Musketier und wenn ihm jemand diese Aufgabe abnahm, war das ihm mehr als recht.

Der aktuelle Hauptmann der Roten Garde; Jean Férardier, trug seinen üblich maskenhaften Gesichtsausdruck, als sei er kein lebender, atmender Mensch, sondern eine Marionette. Richelieu fand das zwar eine lobende Charaktereigenschaft für einen Soldaten in seinem Dienst, allerdings machte dass die Kommunikation nicht gerade einfach. Richelieu hatte oft das Gefühl, sich mit einer Gipsstatue zu unterhalten.

„Ein anderer Musketier lag neben ihm. Bewusstlos.“

Richelieu konnte einen gereizten Seufzer nicht unterdrücken. „Und?“, fragte er im gedehnten Tonfall.

„Er hatte eine blutige Wunde am Hinterkopf.“

Richelieus Geduldfaden riss. „Férardier, es ist nicht nötig, jeden Satz einzeln auszuspucken. Berichte mir einfach, was vorgefallen ist, ich möchte die Abendmesse nur ungern versäumen!“, bellte er. 

Férardiers Gesicht blieb ungerührt. „Wir haben ihn sofort verhaftet, weil wir vermuten, dass er seinen Freund erstochen hat. Der Dolch lag neben ihm. Allerdings ist es nicht irgendein Musketier, sondern Aramis, der bei den Majestäten, besonders bei der Königin sehr beliebt ist und dazu gehört er noch zu den sogenannten Unzertrennlichen“, leierte er brav herunter.

Richelieus Herz machte einen kleinen Hüpfer. Aramis. Das war ja fast schon zu viel des Guten! Der Favorit der Königin, Adeles Geliebter, ein Dorn in seinem Fleisch…Ein Mörder! Er würde für eine öffentliche Hinrichtung sorgen, jeder sollte zusehen, wie der schöne Musketier für seine Verbrechen in den Tod ging und jeder sollte seine Seele verfluchen…Sollte er ihn verbrennen lassen? Nein, das war eher was für Ketzer. Dann vielleicht hängen. Oder den Kopf abschlagen! Doch dann legte der Kardinal seinen Gedanken Zügel an. Noch war Aramis nicht verurteilt. Das musste schnell gehen, bevor seine verfluchten Freunde ihn mal wieder reinwaschen konnten.

Vor allem aber musste er verhindern, dass die Königin Wind davon bekam. Wenn sie davon erfuhr, würde sie ihre neugewonnene Macht ausnutzen, um ihren Musketier zu retten. Doch der König musste es wissen, denn abgesehen davon, dass er das Todesurteil unterschreiben musste, wollte Richelieu nicht darauf verzichten, das Ansehen der Musketiere in den Schmutz zu ziehen.

„Das sind…erschütternde Neuigkeiten“, Richelieu lächelte boshaft, bevor er Férardier entliess und sich dann sogleich auf den Weg machte, den König zu suchen.

Er fand ihn in seinen Gemächern, in Gesellschaft seiner Schneider. Louis stand auf einem Schemel, während Monsieur Lacombe, der Hofschneider, einen grauenhaften grünen Mantel absteckte, der Louis aussehen liess, als sei er ein besonders knallig gewordenes Kleeblatt. Richelieu verneigte sich. „Eure Majestät.“

„Ah, Richelieu! Gefällt Euch mein Mantel? Ich möchte Anna damit überraschen“, erklärte Louis, während er dem Kardinal nachlässig die parfümierte Hand zum Kuss reichte.

Wahrscheinlich bekäme die Königin eine Augenentzündung, wenn Louis in diesem Aufzug bei ihr auftauchte, doch Richelieu hatte schon sehr früh begriffen, dass Ehrlichkeit in der Politik völlig fehl am Platz war und antwortete in gewohnt öliger Manier: „Diese Farbe schmeichelt Euch ungemein!“

„Grün ist die Farbe eines wahren Königs“, piepste Lacombe.

„Hört auf zu reden und konzentriert Euch lieber darauf, Eure Nadeln nicht ständig in mein Fleisch zu stechen“, wies Louis ihn zurecht, bevor er sich wieder an Richelieu wandte, „nun, weshalb seid Ihr gekommen? Doch nicht um mit mir über die Farbwahl meiner Kleidung zu sprechen.“

Richelieu bemühte sich um einen zutiefst bekümmerten Gesichtsausdruck. „Es scheint, als sei ich dazu aussersehen, Euch immer nur schlechte Nachrichten zu überbringen“, begann er salbungsvoll.

„Nun, niemand vermag es schlechte Nachrichten noch kryptischer zu überbringen als ihr, Kardinal“, meinte Louis mit mildem Lächeln.

„Und doch bereitet es mir kein Vergnügen, Euch Kummer zu bereiten. Aber ich werde es tun müssen. Ein Musketier wurde von seinem eigenen Kameraden ermordet!“

Seine Worte taten die gewünschte Wirkung. Louis trat vor Schreck einen Schritt zurück, Lacombe zog die Hand nicht schnell genug weg und machte eine etwas zu nahe Bekanntschaft mit den Schuhen seines Königs, verbiss sich aber einen Schmerzenslaut. Louis verhedderte sich in dem Stoff und versuchte fluchend sich wieder zu befreien, wobei er heftig mit den Armen ruderte. „Ein Musketier würde nie einen Freund töten“, fauchte Louis, während Lacombe versuchte, ihn aus dem Stoff zu wickeln.

Richelieu neigte in scheinbarer Betroffenheit das Haupt. „Leider  sind die Beweise eindeutig. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Es scheint, als habe Aramis, diese Tat begangen.“

Louis runzelte die Stirn. „Aramis…“, murmelte er nachdenklich. Lacombe gelang es endlich seinen König aus dem Ungetüm von Stoff zu befreien, weshalb Louis nicht länger aussah wie ein tanzender Busch. „Ah, Aramis, ist das nicht dieser Musketier, der immer mit diesen beiden Raufbolden Lothos  und Parthos zusammensteckt?“

„Seine Freunde heissen Athos und Porthos. Und dann ist da noch ein vierter Mann namens d’Artagnan“, korrigierte Richelieu.

„Meinetwegen. Auf jeden Fall haben sie mir schon oft ihre Treue bewiesen. Wieso sollte ein so ehrenhafter Mann seinen Freund erstechen?“

Louis war offensichtlich nicht gewillt, zu glauben, dass einer seiner geliebten Musketiere zu einen Mord fähig wäre, aber Richelieu spürte, dass der Samen des Zweifels schon gesät war. Jetzt musste er ihn nur noch ein wenig giessen. „Ich werde selbstverständlich einen fairen Prozess einleiten. Wenn Aramis unschuldig ist, werde ich das herausfinden“, versicherte Richelieu und neigte erneut das Haupt.

„Nun, dann macht Euch an die Arbeit! Ich will die Angelegenheit schnell bereinigt haben! Ich kann keine Gerüchte brauchen, dass sich meine Leibwächter gegenseitig an die Kehle gehen!“ Louis griff nach seinem Weinglas und leerte es in einem Zug, bevor er es so kräftig auf den Tisch knallt, dass es einen Riss davonträgt.

Richelieu legte die Hand auf die Brust und verneigte sich formvollendet. „Wie Ihr wünscht“, sagte er, bevor er scheinbar beiläufig hinzufügte: „Aber ich bitte Euch, behelligt die Königin nicht mit diesem Vorfall.“

„Die Königin? Was hat Anna damit zu tun?“, fragte Louis irritiert.

Richelieu faltete die Hände. „Sie ist sehr verbunden mit den Musketieren. Es würde sie sehr aufregen, wenn sie erführe, dass einer von ihnen als Mörder angeklagt ist.“

Louis hob die fein gezupften Augenbrauen. „Seit wann zeigt Ihr Euch so besorgt um meine Frau?“

„Sie trägt ein Kind. Sie muss sich schonen.“

Er wusste, es war ihm gelungen, den König zu überzeugen. Seit Anna schwanger war, war Louis geradezu krankhaft besorgt um das Kind, das in ihr heranwuchs. „Natürlich. Ich werde dafür sorgen, dass ihr diese Angelegenheit nicht zu Ohren kommt.“

Als Richelieu die Gemächer des Königs verliess, konnte er sich gerade noch davon abhalten, sich triumphierend die Hände zu reiben. Alles war so gegangen, wie er es sich vorgestellt hatte. Wenn ich es geschickt anstelle, dachte er mit leisen Lächeln, bringe ich diesen verdammten Tréville mitsamt seinen Musketieren endlich zu Fall!

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In Athos stieg der heftige Wunsch nach einer Flasche Wein auf, als er den Ort betrat an dem Francis gestorben war. Ein Hinterhof des Gasthauses „Zur fröhlichen Gans“, war wahrlich kein besonders ehrenhafter Platz zum Sterben, dachte Athos bitter, während er die getrocknete Blutlache musterte, die noch nicht beseitigt worden war. Obwohl er seit seinem kleinen Ehedrama nicht mehr sonderlich gut auf Gott zu sprechen war, nahm er seinen Hut ab und sendete ein Gebet Richtung Himmel. Für Francis…und für Aramis.

D’Artagnan bückte sich. „Hier hat also Francis gelegen? Wo lag dann Aramis?“

„Daneben oder?“ Athos nahm die Pflastersteine näher in Augenschein.

„Daneben ist ein sehr weitläufiger Begriff“, murrte Porthos. Athos wusste, sein Freund war aufgebracht und ungeduldig. Er konnte ihn verstehen. Aramis bedeutete ihnen allen viel und dass ihm jetzt die Hinrichtung drohte, erhöhte enorm den Druck Francis‘ Mörder zu finden. Aber er war nie ein Freund von blinder Panik gewesen und sie taten weder sich noch Aramis einen Gefallen, wenn sie sich wie kopflose Hühner benahmen.

Athos liess den Blick schweifen und stutzte. Ein goldenes Glitzern zwischen zwei auseinander gebrochenen Pflastersteinen nahm ihn gefangen und als er erkannte, was es war, bückte er sich und hob es auf. Es war ein Rosenkranz, der Rosenkranz, den Aramis stets um den Hals trug, sein ganz persönlicher Schutzengel, geschenkt von der Königin. Stumm zeigte er seinen Fund Porthos und d‘Artagnan.

Porthos zuckte mit den Schultern. „Das beweist nur, dass Aramis hier war. Das haben wir ja nie bezweifelt.“

„Die Kette ist kaputt. So als hätte sie ihm jemand gewaltsam vom Hals gerissen“, sagte Athos, dessen Herz schwer geworden war.

„Natürlich hat sie ihm jemand vom Hals gerissen. Der Mörder wird mit ihm gerungen haben“, erklärte Porthos ungeduldig.

„Man könnte aber auch meinen, Francis habe sie ihn vom Hals gerissen, als sie miteinander gekämpft haben“, brachte d’Artagnan die Sache auf den Punkt. Er sagte es ganz neutral, sprach einfach eine Tatsache aus, die auch Athos aufgegangen war, doch Porthos war nicht in Stimmung, um solche Nuancen zu hören. Er packte d’Artagnan am Kragen und schüttelte ihn heftig. „Aramis hat Francis aber nicht getötet!“

„Porthos, wir wissen, dass Aramis es nicht getan hat, aber der Richter ist nun mal nicht mit ihm befreundet! Er wird versuchen, Beweise für Aramis‘ Schuld zu finden.  Also hör auf d’Artagnan zu schütteln, bevor er noch eine Gehirnerschütterung davonträgt und du auch noch im Gefängnis landest!“, bellte Athos.

Sofort liess Porthos d’Artagnan los. „Tschuldige“, murmelte er verlegen und tätschelte d’Artagnans Schulter. Schon längst an die emotionalen Ausbrüche seines Freundes gewöhnt, nahm dieser die Entschuldigung mit einem huldvollen Lächeln an, bevor er bekümmert anmerkte: „Wir werden den Rosenkranz wohl den Richter übergeben müssen.“

Athos glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. „Hast du nicht eben selbst noch gesagt, dass der Rosenkranz Aramis belasten könnte?“, fragte er und bemühte sich, jedes Wort langsam zu betonen.

D’Artagnan zog dieses bockige Gesicht, das er immer aufsetzte, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Dieser Ausdruck erinnerte Athos immer an diese furchtbaren Möpse, die Anne sich kurz nach ihrer Hochzeit zugetan hatte. Die hatten genauso geguckt, wenn Athos sie aus dem Haus geworfen hatte. Er war heute noch überzeugt, dass Anne sie nur deshalb zu sich genommen hatte, um ihn zu ärgern. Sie hatte sich immer halb tot gelacht, wenn er mal wieder in einen Hundeschiss getreten war.

„Es wäre unehrenhaft, dem Gericht den Rosenkranz zu verschweigen. Ein echter Musketier, lügt nicht!“, erklärte d’Artagnan und warf sich in Pose, wie er es manchmal tat, wenn er ein weibliches Wesen beeindrucken wollte.

Athos unterdrückte den Impuls sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen. Mit einem Porthos, der gerade beim geringsten Anlass in die Luft ging und einem d’Artagnan, der einen geradezu krankhaften Hang zu Ehrlichkeit und dazu noch immer völlig verquere, romantische Vorstellungen vom Leben als Musketier hatte, konnte er froh sein, keine geistigen Schäden davonzutragen. Noch ein Grund Aramis aus dem Kerker zu holen. Auch wenn dessen theologische Abhandlungen auch nicht immer das Gelbe vom Ei waren.

Athos steckte den Rosenkranz ein. „Wir werden ihn natürlich nicht dem Richter übergeben. Sonst können wir Aramis gleich die Schlinge vorbeibringen.“

Porthos nickte zustimmend, doch d’Artagnan wirkte noch immer unbefriedigt. „Es ist nicht richtig“, beharrte er.

Glücklicherweise ging Porthos diesmal nicht gleich dazu über den jungen Musketier zu erwürgen, stattdessen legte er mit einem milden Lächeln den Arm um d’Artagnan Schultern. „Du musst es einfach so sehen: Wir haben den Rosenkranz gefunden. Die Rote Garde nicht. Es ist quasi, Schicksal. Ja, es würde mich nicht wundern, wenn Gott selbst seine Finger im Spiel hätte. Er mag Aramis.“

„Du weisst aber schon, dass Aramis nicht die Wiedergeburt Jesus ist, oder?“, fragte d’Artagnan und an seinem leichtherzigen Tonfall konnte Athos hören, dass seine Skrupel schon überwunden waren.

Porthos riss scheinbar überrascht die Augen auf. „Ist er nicht? D’Artagnan, du hast mir meinen Glauben genommen! Schäm dich!“

Athos verdrehte die Augen. „Seid froh, dass er nicht Jesus ist. Sonst würde er gekreuzigt und wir dürften dabei zusehen. Und wisst ihr,  ich gebe eine verdammt schlechte Maria ab.“

 

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Anmerkung: Es freut mich sehr, dass die Geschichte so gut ankommt. Sie liegt mir wirklich am Herzen und es macht unglaublich viel Spass, in die Haut der Jungs zu schlüpfen. Der humorvolle Ton wird bestehen bleiben, einfach aus dem Grund, weil mir diese schrägen, witzigen Szenen quasi aus der Tastatur fliessen, während andere sich da schon störrischer anstellen. Aber dennoch wird es jetzt erstmal richtig düster für unseren Lieblingspriester/Musketier.