And if I were to meet.... von
Durchschnittliche Wertung: 4.5, basierend auf 20 BewertungenKapitel Und erstens kommt es anders als man meistens zweitens denkt von
Den erstens kommt es anders, als man meistens zweitens denkt
Ich war kurz vor dem Seekrank werden, als wir der Rue de St. Antoine entgegen ritten. Man verstehe mich nicht falsch, ich saß nicht das erste Mal im Sattel. Auf einem gutmütigen Haflinger habe ich es auch schon einmal zu einem gemütlichen Trab rund um den Sandplatz gebracht. Aber das war einem herrlich verträumten Augusttag vor über zehn Jahren. Das hier ist ein unruhiger Warmblüter, und ein Sattel, den man wohl Damensattel nennt, und der ein Folterwerkzeug ist. Zudem ist das Tempo das geritten wird nicht unbedingt gering. Monsieur le Capitaine haben es eilig. Irgendwo notiere ich Geist dass er keinen Anglonormannen reitet wie ich geschrieben habe, sondern einen Friesen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden.
Vor dem düsteren Torgang der Bastille weigert sich dieser elende Gaul endgültig weiterzugehen und hält stur inne. Säße ich im Herrensattel, bestünde die vage Chance, dass ich mich der richtigen Hilfen vielleicht erinnere, aber so bin ich aufgeschmissen. Mit einem ärgerlichen Blick auf meine Person – der mir deutlich sagt dass ich erbärmlich bin, - fasst Biscarrat das Zaumzeug meines Pferdes und bringt es mit einem leisen Zungenschnalzen wieder zum antraben. Ich falle fast aus dem Sattel so eilig begibt sich der Braune nun in den Hof.
Düstere Mauern, die eng herandrängen, einige hohe Türme, Wälle, schwere Tore, selbst jetzt wo ein neuer Wintermorgen dämmert, wird es hier drin nicht besonders hell. Ich schaudere leicht, als ich den Innenhof der Bastille betrachte. Dagegen ist Festung Königstein, genannt die „sächsische Bastille“ ein lichtes und luftiges Schloss. Cavoyes ist bereits dabei den Hof zu verlassen, und hat mich der charmanten Aufsicht von César überantwortet, der mir mit einer knappen Geste bedeutet, mitzukommen. Auf dem holprigen Pflaster des Hofes komme ich ins Stolpern. Ein harter Griff um mein rechtes Handgelenk hindert mich am Fallen. Au! César hat einen Griff wie ein Schaubstock.
Der Konversation zwischen de Cavoyes und der hageren Person, die entweder der oberste Schließer oder gar der Kommandant dieses ehrenwerten Hauses ist, kann ich – wieder – nicht folgen. Nur das der Name Tobias von Scharfenberg – sehr präzise und korrekt von Cavoyes gesprochen – einige Male fällt, verstehe ich.
Dann hebt der – ich entscheide dass es der oberste Schließer ist – die Schulter und murmelt etwas wie „...c’est mort l’anee derniere..“
Halt mal, halt mal... c’est das ist irgendwas mit „Ist“; mort bedeutet tot, l’anee müsste das Jahr sein und derniere.... wie war das noch mal? Gestern? Nein, das letzte. „ist letztes Jahr gestorben?“ Herrschaften, das geht nicht! Mein Bruder kann wohl schlecht im letzten Jahr hier gestorben sein, das ist ausgeschlossen.
In dem Moment wendet sich Cavoyes zu mir. „Euer Bruder ist flüchtig Madame.“ Sagt er streng.
Tobias... wenn du wirklich hier bist: Gut gemacht! Aber wenn du hier bist, kann das schwer ein Traum sein, nur halb höre ich, wie Cavoyes weiterspricht. „....vermutlich um eine Verwandte von Euch handelt. Man wird Euch zu Ihr führen.“
Ich kann nur so tun, als hätte ich ihm höflich zugehört. „Dafür danke ich Euch.“ Erwiderte ich. Zum Glück ist Barocke Deutsch dem heutigen schon halbwegs ähnlich.
Cavoyes, César und zwei weitere Männer führen mich zu einer Zelle, die oberirdisch liegt. Irgendwie bin ich dankbar, dass ich nicht gleich die Kavernen besichtigen muss. Die Tür wird von dem Schließer umständlich geöffnet. Als ich eintrete, sehe ich im Licht eines winziges Fensters jemanden liegen. Ein Mädchen von vielleicht vierzehn Jahren, ich kenne sie nicht. Aber sie trägt moderne Sachen, so wie ich. Ich eilte sofort zu ihr hinüber und kniee neben ihr auf dem Boden nieder. Sie scheint bewusstlos zu sein. Wer kann sie sein? Kennen tue ich sie nicht...
Eine furchtbare Ahnung beginnt in mir aufzusteigen. Das hier ist Paris, das Paris über das ich – oder eigentlich alle Mitglieder von Artagnan.de geschrieben haben. Sollten wir alle hier sein? Wieder betrachte ich das fremde Mädchen. Wer kann sie sein? Wären es zwei würde ich ja auf die Zwillinge tippen, und die sind älter, ebenso wie die meisten anderen von uns.
„Kennt Ihr dieses Kind?“ die Frage von Cavoyes klingt um eine Spur freundlicher. „Sie wurde so schlafend in den Kavernen gefunden.“
Demonstrativ lege ich den Arm um die Schlafende. „Sie ist meine Schwester Monsieur le Capitaine, mein Bruder war auf der Suche nach Ihr, als er nach Paris kam.“ Himmel, ich hoffe ich schaffe es die Geschichte logisch zu halten.
„Und Euer Bruder ist flüchtig.“ Konstatiert Cavoyes. „Man sollte Euch hier festhalten, bis er hervorkommt.“
Ich friere. Francesco du hast wirklich Charme, kein Wunder das dir die Frauen scharenweise nachlaufen! Denke ich zynisch. Jemand mischt sich ein. „Mon Capitaine?“ Der jenige der hinzugekommen ist, ist ebenfalls ein Kardinalist. Etwas kleiner als Francesco und César, dunkelhaarig, feingeschnittenes Gesicht und sehr nachdenkliche Augen. Ich weiß sofort, dass es sich um Julien d’Aquitaine handeln muss. Ich habe keine Ahnung was er Cavoyes sagt, aber die Geste mit der er auf mich und die kleine Schläferin deutet und dann auf die Umgebung, lässt mich erahnen, dass er seinem Hauptmann wohl widerspricht was das sofortige Einkerkern angeht. Für einige Moment flammt Hoffnung in mir auf. Julien du bist großartig! Doch dann schüttelt Cavoyes den Kopf und bedeutet mit einer knappen Geste den Gardisten zu verschwinden. Er sieht mich noch einmal an. „Betet dass Euer Bruder bald hervorkommt, dann wird man Euch wieder frei lassen und das Kind ebenso.“ Damit geht er, und krachend fällt die Zellentür ins schloss.
Ich bin versucht zu heulen, aber ich reiße mich zusammen, kein Fluch und keine Tränen werden an dieser verfahrenen Lage etwas ändern. Ich streife meinen Wollponcho über den Kopf und schiebe ihn der schlafenden unter den Kopf. Der Dreck in der Zelle wird ihn wohl ruinieren, aber damit muss ich leben. Dann beginne ich meine Taschen nach brauchbaren Utensilien zu durchsuchen. Was zu Tage kommt ist deprimierend. Zwei Taschentücher, meine Dresdner Wohnungsschlüssel, zwei alte Busfahrkarten und ein Schmierzettel auf dem ich ein paar Ideen hastig notiert habe. Nicht eben eine Ausrüstung um aus der Bastille auszubrechen.
***
„Eure kleine Freundin ist ebenfalls in Schwierigkeiten, Nardirkhan.“ Stellte Haljyar debar’Baraque fest und wandte seinen Blick von Dvorans Schachpartie ab.
Tenaka schnaubte. „Ja und mit zynischen Kommentaren von Originals ist mir ja auch geholfen. Wenn ich dorthin gehen könnte, würde ich sie da schon herausholen.“
„Derlei Freiheiten sind aber eher uns Originals gegeben.“ Wandte Dvoran ein, und machte einen Zug, der seinem Gegenüber einige Zeit zu denken geben sollte.
„Ja, aber ihr scheint ja ganz zufrieden zu sein, abzuwarten und Euch zu amüsieren.“ Gab Tenaka verärgert zurück. „Und einige von Euch rühren mit Spitzen Fingern in der Sache herum, aber wirklich etwas unternehmen könnt ihr nicht.“
Ehe ein Streit zwischen Dvoran Uretanor und Tenaka Khan ausbrechen konnte, mischte sich ein Mann, der bisher mit dem Stimmen seines Instruments befasst gewesen war, ein. „Er hat Recht Dvoran, es wird Zeit dass wir etwas unternehmen. Die Frage ist, wie wir jemanden von uns in diesen Traum bringen.“
Dvoran schüttelte entschieden den Kopf. „Noch jemand der nicht hineingehört in diesem Traum, kann mehr sein als er verträgt, Decan. Das ist keine Lösung.“
Wieder herrschte Stille unter den Originals.